Frankfurt/Main (dpa/tmn) – Wenn Produkte mit dem Schlagwort Nachhaltigkeit beworben werden, hat das oft einen versteckten Haken. Das beste Beispiel: Viele Waren aus recyceltem Plastik sind gar nicht aus echtem Plastikabfall, wie Nachhaltigkeitsexperte und Designer Knut Völzke aus Frankfurt im Interview erläutert.
Frage: Was sollte man beim Einkauf als Erstes verändern, wenn man zu Hause nachhaltiger gärtnern möchte?
Knut Völzke: Ich rate vor allem zu einem deutlich bewussteren Umgang mit Kunststoff. Wir verwenden täglich eine große Menge an Produkten und gerade jene für den Garten bestehen bemerkenswerterweise in besonderem Maße aus den verschiedensten Kunststoffen.
Es gibt Bemühungen, das wieder zu ändern. Das finde ich an dem Bereich Nachhaltigkeit übrigens ganz toll: Es geht hier nicht nur um neue Erfindungen, sondern manchmal auch darum, sich zu erinnern, wie es früher war. Etwa, dass ein Schäufelchen aus Metall, das es vor 50 Jahren schon gab, ja auch funktioniert – und eigentlich sogar besser als die billigeren und kurzlebigeren Produkte aus Kunststoff.
Frage: Schaffen wir noch den kompletten Verzicht auf Plastik?
Völzke: Es wird nie so sein, dass wir komplett ohne Kunststoffe auskommen werden. Aber deshalb ist es umso wichtiger, dass wir bewusst mit ihnen umgehen. Und dass man unterscheidet zwischen einem theoretisch recyclingfähigen Produkt und einem Produkt, das tatsächlich aus recyceltem Material hergestellt wurde. Also einem Material, das bereits Teil der Kreislaufwirtschaft ist.
Frage: Was ist denn der Unterschied?
Völzke: Wenn ich aktuell einen Blumentopf kaufe, sieht man darauf oft grüne Aufkleber mit dem Kreislaufsymbol. Das steht für recyclingfähig. Dann wurde der Topf aber aus neu gewonnenen Rohstoffen hergestellt, zu großen Teilen aus Öl und Gas. Er kann nach seiner Nutzung theoretisch dem Recycling zugeführt werden.
Ich sollte aber ein Produkt wählen, auf dem steht: 100 Prozent aus recyceltem Material. Nur dann wurde das Produkt aus wiederverwertetem Material hergestellt. Auch diese Art der Produktion benötigt Energie und setzt CO2 frei, das darf man nicht vergessen. Aber natürlich deutlich weniger. Insofern ist das schon ein ganz wichtiger Nachhaltigkeitstipp, den die meisten Menschen noch nicht beachten.
Frage: Bekomme ich diese Infos denn auch immer so einfach?
Völzke: Man muss schon genau hinschauen und durchaus gezielt nachfragen. Ein Beispiel: Kürzlich habe ich bei einer Firma nachgefragt, warum sie ihr neues Gartenmöbel als Eco-Stuhl bezeichnen. Ich bekam die Antwort, dass er zu 20 Prozent aus Altholz und zu 20 Prozent aus recyceltem Polyethylen hergestellt wird. Das macht also 40 Prozent der verwendeten Materialien aus.
Aber woraus bestehen denn die weiteren 60 Prozent? Ich habe in diesem Fall tagelang auf eine Antwort gewartet und dann wurden mir verklausuliert die am wenigsten nachhaltigen Kunststoffe genannt. Der Stuhl besteht also aus einer Mischung verschiedenster Materialien, die sich nicht mehr voneinander trennen lassen und so ein Recycling unmöglich machen.
Frage: Gibt es auch positive Beispiele?
Völzke: Ich habe auf der Gartenmesse Spoga+Gafa in Köln Produkte einer Firma gesehen, die darauf verweist, dass ihre Produkte zu 98 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Ich gehe davon aus, dass es ihnen technologisch noch nicht möglich ist, auch die restlichen zwei Prozent zu ersetzen. So eine präzise Angabe empfinde ich durchaus als vertrauenswürdig.
Wenn man nun noch tiefer in das Thema einsteigen möchte, muss man hinterfragen, welche Art recyceltes Plastik verwendet wurde. Erste Firmen werben mit einem Anteil sogenanntem «Post-Consumer-Plastic» in ihren Produkten. Dabei handelt es sich um unseren Verpackungsmüll, also zum Beispiel die Kunststoffmaterialien, in die unsere Lebensmittel verpackt sind. Diesen Verpackungsmüll sammeln wir in gelben Säcken oder Wertstofftonnen.
Davon wird in Deutschland aber leider bislang nur rund fünf Prozent recycelt. Es gibt in anderen Ländern bessere Systeme, dort wird dieser Müll bereits deutlich mehr genutzt. Zum Beispiel macht die italienische Firma Teraplast daraus Blumentöpfe.
Frage: Woraus ist denn dann das recycelte Plastik in Produkten, die üblicherweise damit beworben werden?
Völzke: Ein verbreitetes Verfahren ist die Nutzung von Produktionsresten. Wenn beispielsweise im Industrieprozess wie bei einem Kuchenteig etwas über den Rand der Form hinausläuft. Diese Reste sind so sortenrein, so sauber – die können direkt für die nächste Produktionsrunde genutzt werden. Dabei handelt es sich aber eigentlich nicht um Abfall.
Man muss sich also schon etwas umsehen, aber man findet erste Hersteller, die angeben, welche Art von Plastikrecycling sie machen und zu welchen Anteilen. Manche Firmen legen genau offen, wie viel Industriemüll, wie viel Post-Consumer-Plastik und andere Materialteile in einem Produkt stecken.
Und man muss sagen: Post-Consumer-Plastik zu nutzen, ist gar nicht so einfach für die Industrie, denn die Kunststoffgemische müssen ja viel können. Etwa genauso lange haltbar sein wie neue Rohstoffe. Aktuell kann Post-Consumer-Plastik daher nur für ein eingeschränktes Spektrum an Produkten verwendet werden.
Blumentöpfe lassen sich daraus aber bereits zu 100 Prozent herstellen. Das ist doch schon etwas. Wenn wir diese Produkte kaufen, haben sie Erfolg und werden positiven Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen. Jeder Schritt zählt.
Zur Person: Designer Knut Völzke hat langjährige Expertise in der Gestaltung und Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen, er konzipiert mit seinem Team Umweltausstellungen und nachhaltige Produkte. Außerdem war er Experte für die Gartenmesse Spoga+Gafa 2022 in Köln.