Schwerin/Berlin (dpa/mv) – Die von den Grünen durchgesetzte Klimaneutralität für einen Teil künftiger Investitionen aus dem Infrastruktur-Sondertopf des Bundes trifft bei Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Landeschef Daniel Peters auf Kritik. Der Begriff der Klimaneutralität sei bislang rechtlich unklar definiert. «Die vage und politisch geprägte Zielgröße eröffnet zudem ein Einfallstor für klagefreudige Lobbygruppen, die durch strategische Klagen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen könnten», erklärte Peters in Schwerin.
Der Unionspolitiker befürchtet nach eigener Aussage, dass auf diese Weise wichtige Industriearbeitsplätze gefährdet und einer Deindustrialisierung Deutschlands Vorschub geleistet werden könnten. «Besonders für energieintensive Unternehmen schafft die Unsicherheit um die rechtliche Ausgestaltung von Klimaneutralitätszielen massive Investitionshemmnisse», sagte Peters.
Auch wenn vage formulierte Zielvorgaben im Grundgesetz deren gerichtliche Durchsetzung scheitern lassen könnten, halte er es dennoch für einen großen Fehler, an der Stelle das Grundgesetz zu ändern. «Das löst kein Problem – es schafft dafür neue», zeigte sich Peters, der auch Chef der CDU-Landtagsfraktion ist, überzeugt.
Amthor sieht «Klimaneutralität bis 2045» als Handlungsmöglichkeit
Der Bundestagsabgeordnete und CDU-Landesgeneralsekretär Philipp Amthor sieht die gefundene Kompromissformel für die Grundgesetzänderung «Klimaneutralität bis 2045» indes gelassener. «Die Frage, wie „Klimaneutralität bis 2045“ zu erreichen ist, bleibt eine genuin politische Frage, aber keine zwingende Vorgabe des Verfassungsrechts», schrieb Amthor in einem Gastbeitrag für die «Welt».
Der neue Artikel 143h sei keine Handlungspflicht zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2045, sondern begründe lediglich eine Handlungsmöglichkeit des Staates, in den nächsten zwölf Jahren im Rahmen des Infrastruktur- und Klimaneutralitätssondervermögens zu diesem Zweck Kredite für zusätzliche Investitionen aufzunehmen. «Der etwaige Kampf um den richtigen Weg zur Erreichung von Klimazielen soll und muss also auch in Zukunft im Feld der Politik (das heißt: in den Parlamenten) geführt werden», zeigte sich der Jurist und Politiker Amthor überzeugt.
Die AfD-Landtagsfraktion erwartet indes auch rechtliche Auseinandersetzungen. «Um den neuen Bundestag auszutricksen und die Grünen mit ins Boot zu holen, soll nunmehr auch die „Klimaneutralität 2045“ ins Grundgesetz geschrieben werden. Dieses schwammige Ziel gibt schon jetzt absehbar in der Umsetzung viel Raum für Streit und Klagen», erklärte der Abgeordnete Horst Förster. Er warf den Initiatoren vor, in «einem beispiellosen Hau-Ruck-Verfahren ohne Not» das Grundgesetz ändern zu wollen und dabei zur Mehrheitsbeschaffung «einem ideologischen Lieblingskind der Grünen Verfassungsrang zu geben».
Milliarden für Klimaschutz
Nach intensiven Verhandlungen hatten die Grünen angekündigt, im Bundestag den Plänen von Union und SPD für die Multimilliarden-Finanzpakete für Verteidigung und Infrastruktur zuzustimmen. Die mutmaßlichen künftigen Partner einer schwarz-roten Regierung wollen für die kommenden zwölf Jahre Schulden im Umfang von 500 Milliarden Euro ermöglichen, um die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und die Wirtschaft anzukurbeln.
Auf Druck der Grünen sollen 100 Milliarden davon in den Klima- und Transformationsfonds fließen, um den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zu fördern. Zudem sollen als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage die Ausgaben für Bundeswehr und Katastrophenschutz massiv aufgestockt werden.
Peters hatte die Verständigung im Grundsatz begrüßt. «Die Mittel für Investitionen fließen nur dann, wenn sie für Zusatzprojekte verwendet wurden. Heißt: Der Bundeshaushalt wird nicht mit Schulden konsolidiert. Die Koalition wird sparen müssen. Dazu: Bürokratieabbau, Staatsmodernisierung, Steuerreform. Es kann was werden», hatte sich Peters zuversichtlich gezeigt.
Grundgesetzänderungen sollen Weg zu neuen Schulden ebnen
Ziel ist es, das Grundgesetz an mehreren Stellen zu ändern: Damit soll erreicht werden, dass Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit nur noch bis zu einer Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben gibt es keine Grenze.
Außerdem sollen die Länder mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Wie der Bund sollen auch sie künftig Kredite in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. Das 500 Milliarden-Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität ist von der Schuldenbremse ausgenommen und kann somit aus Krediten gefüttert werden. Experten sehen großen Investitionsbedarf insbesondere bei Autobahnen, Brücken, Schienen, Energienetzen, Kitas und Schulen. Kritiker befürchten, dass mit der Aufweichung der Schuldenbremse wichtige Reformen in der Finanzpolitik und der Abbau von Bürokratie nicht mehr mit Nachdruck verfolgt werden.