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«Ein Glücksgefühl» – Retter bewahren Rehkitze vor Mähtod

Waldrach/Gensingen (dpa/lrs) – Das kleine Rehkitz passt gerade mal in zwei Hände. Kirsten Gillert trägt es vorsichtig an den Rand einer gemähten Wiese und legt es im Grünen ab. «Es ist immer ein Glücksgefühl, wenn man ein Kitz gerettet hat», sagt Gillert, Leiterin der Rehkitzrettung Hegering Ruwer vom Kreisverband Trier-Saarburg des Landesjagdverbandes (LJV) Rheinland-Pfalz.

Sie trägt Handschuhe und fasst das Kitz mit Gras-Bündeln an. «Das Tier soll nicht den Geruch von Menschen annehmen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Mutter es später ablehnt.» Ihr Team ist mehrmals die Woche im Einsatz. 

Mähdrescher ist der sichere Tod für Kitze

Seit Anfang Mai sind Kitzrettungsgruppen des LJV überall in Rheinland-Pfalz unterwegs, um Jungtiere vor dem Mähtod zu retten. Bevor die Landwirte mit ihren Mähdreschern über die Wiesen fahren, seien sie verpflichtet, die Fläche absuchen zu lassen, sagt ein Sprecher des Verbandes. Wenn ein Jungtier bei Mäharbeiten verletzt oder getötet werde, drohe dem Landwirt eine hohe Strafe.

Im vergangenen Jahr seien landesweit rund 7.000 Kitze mit Hilfe von Drohnen aufgespürt und gerettet worden. «Die Zahl der Kitzretter-Teams und der damit einhergehenden geretteten Kitze steigt definitiv an», sagt Frederik Grüneberg vom LJV. «Die Kitzrettungsteams sind zur aktuellen Saison fast täglich unterwegs, da die Nachfrage enorm angestiegen ist.»

Immer mehr Landwirte und auch die Bevölkerung bekämen ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass ein Abfliegen der Wiese vor dem Mähen notwendig ist, um hier Tierleid zu vermeiden, sagt Grüneberg, der im Raum Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld) selbst als Drohnen-Pilot unterwegs ist. «Heute hat unsere Gruppe sieben Kitze in einem Jagdrevier gerettet», erzählt er. 

Denn die Mähmaschine ist der sichere Tod eines Rehkitzes. «Wenn ein Kitz vom Kreiselmäher geschreddert wird, ist es nur im optimalsten Fall direkt tot», sagt Gillert. «Meistens bekommen sie die Läufe (Beine) abgeschlagen und sterben dann qualvoll. Das ist eine ganz grausame Sache.» 

Der Landwirt könne die Tiere unmöglich oben von der Maschine aus sehen, sagt Helfer Wolfgang Romann vom Team bei Waldrach (Kreis Trier-Saarburg). Sogar wenn man in der Wiese genau neben dem Tier stehe, sehe man es kaum.

Retter suchen mit Drohnen und Wärmebildkamera

Daher kommt bei der Suche auf der Fläche eine Drohne mit Wärmebildkamera zum Einsatz. Die Suche beginnt morgens gegen 4.30 Uhr, damit die Tiere in der morgendlichen Frische noch erkennbar sind. Die gebürtige Saarländerin Gillert fliegt als Pilotin die Drohne und schaut auf den Bildschirm. Erscheint ein weißer Punkt, nähert sie die Drohne der Stelle. «Heute war es zweimal ein Rehkitz.»

Helfer Romann und Stephan Schmitt gehen an die Stelle und heben das Kitz in eine Rettungsbox voll mit Gras. «Die Tiere sind ganz ruhig und bewegen sich nicht. Sie können noch nicht aufstehen», sagt Schmitt. Die Kiste wird am Rande der Wiese so lange abgestellt, bis der Landwirt seine Mäharbeiten beendet hat. Dann erst kommt das Kitz zurück ins Grün. 

«Die Mutter des Tieres ist die ganze Zeit in der Nähe», sagt Gillert. Manchmal höre man sie «bellen». Es sei auch schon vorgekommen, dass das Kitz nach dem Mähen der Wiese nicht mehr in der Kiste gewesen sei. Die Mutter habe das Jungtier aufgespürt und die Box bewegt, bis das Kitz herausschlüpfte. «Das ist für uns aber auch Rehkitzrettung», sagt Romann. 

«Man rettet Leben»

Vor der Drohnentechnik sei man früher die Wiesen mit Hunden abgegangen und habe «Rabatz» gemacht, um die Kitze zu vertreiben. «Aber die frisch Gesetzten, die ducken sich tief ins Gras», sagt der Helfer. 

Der LJV geht davon aus, dass die Zahl der Jungwildretter weiter zunimmt. Besonders mit der kürzlich auf 2,5 Millionen Euro erhöhten Förderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums könnten noch mehr Drohnen in den Kreisgruppen angeschafft werden, sagte Grüneberg. Teilweise kauften sogar Jagdgenossenschaften eigenen Drohnen für die Kitzrettung. 

Das Engagement macht den Helfern große Freude. «Es ist befriedigend und schön, weil man hat etwas Gutes getan: Man hat Leben gerettet», sagt Schmitt.

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