Close

Mainz (dpa/lrs) – Wenn Kot für Furore sorgt: Vor einigen Monaten gab es den ersten Nachweis für einen Otter seit 37 Jahren im Westerwald. Artenspürhunde des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung entdeckten die Ausscheidung. Das mehrte die Hoffnung, dass der pelzige, an das Wasser angepasste Marder in Rheinland-Pfalz wieder heimisch wird. Wie der Wolf zeigt, kann die Rückkehr einst verschwundener Arten mit Konflikten einhergehen. Beim Otter soll ein Projekt genau das verhindern.

Hitzige Diskussionen in Bayern

In Bayern erhitzt der Fischotter schon länger die Gemüter kräftig. Für die einen zerstört er die historisch gewachsene Teichwirtschaft, für die anderen ist er ein schützenswertes Tier. Die dortige Staatsregierung erlaubte, dass die Tiere in Gebieten in zwei Regierungsbezirken im Ausnahmefall getötet werden dürfen. 

«Entnahmen von Fischottern sind dringend nötig», betonte Bayerns Jagdminister Hubert Aiwanger von den Freien Wähler im Februar dieses Jahres. Nur so könnten große Schäden von der Teichwirtschaft abgewendet werden. Im Freistaat leben geschätzt rund 1.500 Otter. 

Rheinland-Pfalz hat viel weniger Zuchtteiche als der Freistaat

Von so einer Zahl ist Rheinland-Pfalz meilenweit entfernt. Bislang gab es nur vereinzelte Nachweise, wie den im Westerwald oder 2016 und 2017 an der Nahe, wie Sarah Rossi vom Projekt Otterland der Stiftung Natur und Umwelt (SNU) Rheinland-Pfalz erklärt. 

Das Streitpotenzial in Rheinland-Pfalz hält sie für viel geringer. Hier sei die Fischwirtschaft deutlich kleiner als in Bayern. Das bestätigt Franz Mersch, Präsident des Landesfischereiverbands. In Rheinland-Pfalz gebe es bei Weitem nicht so viele Zuchtteiche wie in Bayern. Und doch, sagt Rossi, müssten auch in Rheinland-Pfalz die Belange dieser Branche im Auge behalten werden, Vorbereitungen sollten getroffen werden. Entsprechend gibt es einen Austausch zwischen SNU und Fischereiverband, wie beide Seiten sagen. 

Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) kennt Diskussionen um den Otter, wie es sie bei vielen anderen Tieren auch gebe, wie sie sagt. Erinnert sei beispielsweise an die auch in Rheinland-Pfalz oft sehr hitzig geführten Debatten um den zurückgekehrten Wolf, die Positionen etwa von Umweltschützern und Weidetierhaltern gehen weit auseinander. 

«Deswegen ist es wichtig, dass wir von Anfang an gut im Dialog sind mit Fischereiverbänden und Teichbesitzern und es so gestalten, dass sie keine Angst haben müssen, dass ihnen der Otter sehr viel wegnimmt», betont Eder, die auch Vorstandsvorsitzende der SNU ist. 

Geschützt werden können Teiche Rossi zufolge mit Zäunen. Außerdem könnten Ablenkteiche mit wirtschaftlich weniger interessanten Fischen Gewässer mit wertvolleren Fischen schützen. Der Otter wähle immer den einfachsten Weg zum Futter, erklärt sie. Zur Nagelprobe werde es kommen, wenn es die ersten Schadensfälle gebe, sagt Mersch vom Fischereiverband. Dann werde es um die Übernahme von Kosten gehen. Willkommen ist der Otter aber auch dem Verband. «Er gehört zu unserer Naturlandschaft dazu», sagt Mersch. 

Lutra lutra braucht Flachwasser und Versteckmöglichkeiten

Dass der Eurasische Fischotter (Lutra lutra), der im Gegensatz zu vielen anderen Otterarten Einzelgänger ist, bald auch in Rheinland-Pfalz wieder zuhause ist, dafür spricht einiges. Im Nachbarland Hessen gibt es bereits mehrere Vorkommen, wie Rossi erklärt. Auch im Osten Frankreichs werde die Zahl der Otter in den kommenden Jahren voraussichtlich steigen – von beiden Seiten ist der Weg nach Rheinland-Pfalz nicht weit. 

Und Rheinland-Pfalz biete durchaus die Voraussetzungen für ein Comeback. Es gebe renaturierte Gewässer mit Flachwasserbereichen, naturnahen Ufern, überhängenden Bäumen und Versteckmöglichkeiten. Habitate böten etwa die Sieg, Wied und Niester im Norden, sagt Rossi. An der Lahn dagegen seien viele Schleusen, der Fluss sei nicht durchgängig. «Er ist sehr touristisch geprägt, da ist sehr viel Freizeitaktivität.» Trubel mögen Otter, der sich von Fischen, Krebsen, Amphibien und Reptilien ernähren, nicht. 

Straßenverkehr Todesursache Nummer eins

Der Fischotter, der mehr als zehn Kilogramm schwer und ohne Schwanz einen knappen Meter lang werden kann, zählt zu den semiaquatischen Arten. Diese nutzen bei Wanderungen entlang von Gewässern sehr häufig das Ufer.

Todesursache Nummer eins sei der Straßenverkehr, sagt Rossi. Vor allem junge Tiere, die sich auf die Suche nach einem Revier machen, gelten der Expertin zufolge als gefährdet. Es wird vermutet, dass sie unbekannte Querbauwerke wie Brücken oder Rohre eher meiden. Statt durchzuschwimmen, können sie dann das Wasser verlassen und Straßen überqueren. 

Abhilfe können Otterbermen schaffen, wie sie zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder Thüringen zum Einsatz kommen – künstliche Laufstreifen unter Brücken, die aus Steinen, aus Beton oder auch aus Brettern sein können. In Rheinland-Pfalz sind solche Maßnahmen Rossi zufolge noch Zukunftsmusik.

Ministerin: Freue mich über die Rückkehr der Otter

Um Otter zu entdecken, haben geschulte Ehrenamtliche in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Projekts Otterland im vergangenen Herbst und Frühjahr erstmals Gewässer nach Spuren abgesucht – zunächst im Westerwald. Das soll wiederholt und auf weitere Gebiete ausgedehnt werden. Geschaut wird nach Kothaufen, im Fachjargon Losung, nach Fußspuren, sogenannte Trittsiegel, oder nach Spraint, einer Art schwarzem Gelee, das Otter absondern. 

«Ich freue mich über die Rückkehr der Otter, weil sie auch Zeiger für gute Gewässer sind», sagt Ministerin Eder. «Es war unter anderem die früher starke Verschmutzung, die dazu geführt hat, dass er nicht mehr da war.» Ob Otter, Biber oder Bachmuscheln, alle Arten hätten ihre Funktion in einem Ökosystem. Es sei so gar nicht egal, ob eine Art mehr oder weniger vorkomme. 

Das dürfe auch bei der Nutzung von Wasserkraft nicht vergessen werden, die nach dem Willen der neuen Bundesregierung ausgebaut werden soll. Die sogenannte kleine Wasserkraft könne die Durchlässigkeit von Gewässern verringern und sich negativ auf die Artenvielfalt auswirken, mahnt Eder.

Mehr insights