Norderney (dpa/lni) – Um mehr Windstrom von der Nordsee bis in die Übertragungsnetze am Festland zu transportieren, bohrt der Netzbetreiber Amprion für weitere Stromkabel unter der Insel Norderney hindurch. Mit einem symbolischen Spatenstich gaben Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne), Inselbürgermeister Frank Ulrichs und Unternehmensvertreter am Nordstrand das Startsignal für die Bauarbeiten an den sogenannten Netzanbindungssystemen BalWin1 und BalWin2.
Die Inbetriebnahme der Kabelsysteme ist für 2030 und 2031 vorgesehen. Über die Leitungen sollen dann jeweils bis zu 2.000 Megawatt Windstrom transportiert werden können – das reicht laut Amprion, um den Strombedarf von vier Millionen Menschen zu decken.
Wo die Stromkabel verlaufen
BalWin1 und BalWin2 seien wichtige Bausteine der Energiewende, sagte der Energieminister Meyer in einer Mitteilung. «Sie werden gemeinsam vier der insgesamt geplanten 70 GW Offshore-Windenergie anbinden und somit einen wertvollen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten.» Aktuell sind mehr als neun Gigawatt Windenergie-Leistung auf See installiert. Deutschland hatte seine Offshore-Ziele 2022 hochgeschraubt und angekündigt, mindestens 30 Gigawatt bis 2030 und mindestens 70 Gigawatt bis 2045 anzupeilen.
Über die Kabelsysteme wird der Windstrom von Konverterstationen auf See bis ans Festland transportiert. Bevor die Kabel dort ankommen, müssen sie allerdings die ostfriesischen Inseln unterqueren. Ein Großteil der Netzanbindungssysteme wird in der Nordsee über Niedersachsen und damit auch durch den Nationalpark Wattenmeer geführt.
Daran gibt es auch Kritik. Mehrere Umweltschutzverbände in Niedersachsen forderten zuletzt ein Umdenken bei der Planung künftiger Kabel. Sie sehen durch die Kabelkorridore den Lebensraum Wattenmeer gefährdet und warnen vor weitreichenden ökologischen Folgen.
Kabel mit mehr Übertragungskapazität
Da die Netzanbindungssysteme auf Norderney laut Amprion zu einer neuen Leistungsklasse zählen, müssen dort statt wie bei bisherigen Systemen zwei Kabel nun drei Kabel pro System verlegt werden. Energieminister Meyer sieht darin einen Vorteil. Durch die höhere Übertragungskapazität wird die Gesamtanzahl der noch zu verlegenden Offshore-Netzanbindungssysteme nach Angaben des Ministeriums reduziert. «Wir stehen zum Offshore-Ausbau und treiben ihn voran. Dank neuer Techniken können wir noch effektiver werden und den knappen Raum besser nutzen», sagte der Minister.
Die Inselunterquerung erfolgt in zwei Schritten. Bis Ende September werde zunächst sechsmal – also eine Bohrung pro Kabel – von der Inselmitte auf rund 1.100 Metern Länge zum Norderneyer Watt südlich der Insel gebohrt, teilte ein Amprion-Sprecher mit. 2026 sind dann die Bohrungen von der Inselmitte zum nördlichen Strand geplant. Parallel arbeitet Amprion in diesem Sommer vor Norderney auch an dem Offshore-Netzanbindungssystem DolWin4 – für dieses Kabelsystem hatten die Bauarbeiten 2022 begonnen.