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Wer darf über das neue EU-Klimaziel entscheiden?

Brüssel/Berlin (dpa) – Die schwarz-rote Koalition hat einen aufkeimenden Konflikt über ein wichtiges EU-Klimagesetz entschärft. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) rückte von seiner Forderung ab, dass die EU-Umweltminister das Ziel noch in diesem Monat beschließen sollen. Nicht nur Deutschland will damit warten: Mehrere EU-Länder forderten bei einem Vorbereitungstreffen der ständigen Vertreter in Brüssel, dass sich erst die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im Oktober damit befassen sollten. Die Entscheidung ist damit vertagt. Ein Aufschub könnte allerdings Folgen haben. 

Worum geht es genau?

Bislang gibt es EU-Klimaschutzziele für 2030 und 2050. Laut EU-Klimagesetz muss auch ein Ziel für 2040 festgelegt werden. Die Kommission hatte Anfang Juli den Vorschlag vorgelegt, die Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent zu senken, im Vergleich zu 1990. Dabei geht es vor allem um den Ausstoß von Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas entsteht. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen sich jeweils zu dem Vorschlag positionieren und am Ende einigen. In mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand. 

Wie positioniert sich die Bundesregierung?

In der Sache gab es ohnehin keinen großen Dissens: «Die Bundesregierung steht zu den Klimazielen, und zwar sowohl zu denen, die wir uns national gesetzt haben, als auch zu denen, die wir europäisch verabredet haben, wie auch zu denen, die wir international in einer ganzen Reihe von Abkommen vereinbart haben», hatte Kanzler Friedrich Merz (CDU) schon am Mittwoch erklärt. Das EU-Ziel deckt sich weitgehend mit den deutschen Klimaschutz-Plänen und steht auch nicht in Konflikt mit dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot. Inhaltlich wird Deutschland also wohl zustimmen, auch wenn man im Detail noch einige Bedingungen stellt.

Allerdings wollte Schneider die Abstimmung so schnell wie möglich – am liebsten beim Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen am Donnerstag. Die Union dagegen schien es weniger eilig zu haben. Unionspolitiker betonten, Deutschland müsse sich mit Frankreich einig werden, das Vorbehalte hat gegen den 2040-Vorschlag. 

Nun erklärte Schneiders Ministerium: Der genaue Zeitplan sei Sache der dänischen Ratspräsidentschaft. «Der informelle europäische Rat am 1. Oktober bietet da Chancen, um politisch über die aktuelle Klimapolitik zu reden. Klar ist, dass die Entscheidung über das neue Klimaziel dann beim Rat der Umweltminister und beim Europäischen Parlament liegt.»

Warum macht es einen Unterschied, wo über das Klimaziel beraten wird?

Bei den Umweltministern reicht eine sogenannte qualifizierte Mehrheit, um die Position für das Klimaziel festzuzurren. Bei Gipfeln auf Chefebene ist Einigkeit nötig – und die Dynamik ist unberechenbar. Es wäre denkbar, dass Staaten wie Frankreich und Polen dafür sorgen, dass ihre Skepsis Eingang in die gemeinsame Erklärung findet. 

Die endgültige Entscheidung liegt bei den Umweltministern – doch wenn der Gipfel der Staats- und Regierungschefs den aktuellen 2040-Vorschlag vom Tisch nähme, gäbe es da nicht mehr viel zu entscheiden.

Selbst wenn das Klimaziel beim EU-Gipfel einstimmige Unterstützung fände, dürfte nun eine Deadline platzen. Denn das Ziel soll als Grundlage genutzt werden für die Klimaschutz-Pläne, die die EU bei den Vereinten Nationen einreichen muss. Und die sollen bis spätestens zum 24. September abgegeben sein. 

Klimaschützer warnen, wenn sich die EU nicht rechtzeitig einige, drohe sie, am Ende mit einem viel zu schwachen Beitrag dazustehen und damit Europas Glaubwürdigkeit kurz vor der Klimakonferenz im November in Brasilien zu beschädigen.

Warum ist das EU-Klimaziel für 2040 wichtig?

Der Europa-Abgeordnete Michael Bloss von den Grünen sagte, was auf dem Spiel stehe, sei nicht weniger als die weltweite Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Klimakrise. «Ohne ambitionierte Zusagen der Industrieländer werden die Länder des globalen Südens keine neuen Verpflichtungen eingehen», kommentierte er nach der Verlagerung der Entscheidung. «Friedrich Merz hat heute den Frontalangriff auf den Klimaschutz gestartet», so Bloss.

Die Zeit drängt, denn der Planet heizt sich weiter auf. Die Temperatur der Erde lag im vergangenen Jahr nach EU-Zahlen um 1,6 Grad über der Temperatur des vorindustriellen Zeitalters. Bei der Pariser Klimakonferenz hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 das Ziel gesetzt, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, zumindest aber auf deutlich unter 2 Grad. Wissenschaftler halten das für zunehmend unrealistisch. Je wärmer es auf der Erde wird, desto wahrscheinlicher werden extreme Wetterereignisse wie Dürren oder extreme Regenfälle.

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