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Studie zu Klimaneutralität sorgt für Diskussionen

Hamburg (dpa/lno) – Wenn Hamburg bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden will, würde das laut einem aktuellen Gutachten flächendeckende und deutlich spürbare Umsteuerungen in vielen Lebensbereichen erfordern. Das Gutachten wurde vom Hamburg Institut und dem Öko-Institut im Auftrag der Hansestadt erarbeitet – und es sorgt für kontroverse Diskussionen.

Die Gutachter erklärten, schon die bisherigen Klimaschutzziele seien ambitioniert, gerade auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene.

Rot-Grün will Hamburg bis spätestens 2045 klimaneutral machen

Der rot-grüne Senat hat sich zum Ziel gesetzt, dass Hamburg bis spätestens 2045 klimaneutral wird. Dafür hat er einen Klimaplan mit konkreten Maßnahmen erlassen, die bereits umgesetzt werden. Um herauszufinden, ob und wie die Stadt ihre Klimaziele früher erreichen könnte, hatte die Umweltbehörde das Kurz-Gutachten in Auftrag gegeben.

Aus Sicht der Gutachter wären für ein Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2040 zusätzliche Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen notwendig, die mit deutlichen Einschränkungen für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürgern einhergehen würden.

So müssten schon bis 2040 alle Gas- und Ölkessel in Wohn- und Nichtwohngebäuden ausgetauscht werden – mit gleichzeitiger Stilllegung des gesamten Gasnetzes.

Tempo 30 müsste für die ganze Stadt gelten

Außerdem wäre nach Ansicht der Gutachter ein noch schnellerer Ausbau des Fernwärmenetzes und eine bisher nicht geregelte CO2-Verpressung in die Erde für die Restemissionen erforderlich. Im Verkehr müsste in der ganzen Stadt Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit eingeführt und der Pkw-Verkehr deutlich reduziert werden.

Ferner bedürfte es der Einrichtung von Umweltzonen im Hafen. Für den Bereich Industrie wäre es notwendig, Erdgas und Brennstoffe wie Petrolkoks und Raffineriegas vollständig durch Wasserstoff und E-Fuels zu ersetzen. Die komplette Elektrifizierung der Mobilität müsste bis 2040 abgeschlossen sein.

Einer der wichtigsten Parameter für eine Klimaneutralität bis 2040 sei der stärkere Ausbau von Wind- und Solarenergie. Auch im Wohnungsbau müsste die Sanierung erheblich beschleunigt und der Einbau von mit erneuerbaren Energien betriebenen Heizsystemen wie Wärmepumpen schon jetzt stärker vorangetrieben werden, sagen die Gutachter.

«Studie zeigt: Klimaneutralität bis 2040 ist machbar»

Zusammenfassend stellen die Gutachter fest, dass eine frühere Klimaneutralität erhebliche Zusatzanstrengungen bedeuten würde, die je nach Ausgestaltung zu spürbaren Mehrbelastungen für private Haushalte, Unternehmen und den Landeshaushalt führen würden. Je nach Ausgestaltung der Maßnahmen könnte damit auch eine Zunahme sozialer Härten einhergehen.

Das Gutachten leiste einen Beitrag zur Meinungsbildung im Hinblick auf den Zukunftsentscheid in Hamburg, erklärt die grün-geführte Umweltbehörde von Senatorin Katharina Fegebank. «Für die Regierungspolitik in Hamburg bleibt bis auf weiteres der wissenschaftlich fundierte und hoch ambitionierte Klimaplan maßgeblich.»

Brisanz erhält das Gutachten durch die Tatsache, dass die Hamburgerinnen und Hamburger am 12. Oktober in einem Volksentscheid über verschärfte Klimaschutzziele abstimmen. Die Initiatoren des «Zukunftsentscheids» sehen sich bestätigt. «Die Studie zeigt eindeutig: Klimaneutralität bis 2040 ist machbar», sagte Pressesprecherin Lou Töllner. Entscheidend für das Erreichen des Ziels sei eine kluge und soziale Umsetzung, damit alle Hamburgerinnen und Hamburger profitierten.

Bürgerschafts-Grüne halten Klimaneutralität früher für erreichbar 

Auch die Klimaexpertin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Rosa Domm, sagte: «Eine frühere Klimaneutralität Hamburgs ist möglich – sogar schon 2040.» Die dafür in der Studie genannten Maßnahmen wie ein emissionsfreies Wärmenetz, mehr Elektromobilität, Investitionen in Bus, Bahn und Rad sowie eine höhere Sanierungsquote im Gebäudesektor seien seit Jahren grüne Forderungen. «Und sie sind für eine Stadt wie Hamburg selbstverständlich sozial gestaltbar.»

Klimaschutz dürfe keine Frage des Geldbeutels sein, sagte sie. Aber: «Nur wenn Klimaschutz gerecht ausgestaltet ist, wird er erfolgreich sein.»

Opposition kritisiert rot-grüne «Kakophonie»

Anders sieht dies SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf: «Das jetzt vorgelegte Gutachten der Umweltbehörde zeigt eindeutig, dass ein striktes Vorziehen der Klimaneutralität von 2045 auf 2040 zu erheblichen Belastungen und Einschnitten in Hamburg bei Privathaushalten und Wirtschaft führen würde.» Die SPD setze deshalb «auf den sozialverträglichen und umsetzbaren Pfad bis 2045».

Auch die CDU-Opposition hält ein Vorziehen der Klimaschutzziele für falsch, da dies nur «unter schwersten Verwerfungen und unzumutbaren Kosten zu erreichen» sei, wie ihr Fraktionschef Dennis Thering sagte. Zugleich kritisierte er die in dieser Frage uneinheitliche Argumentation von SPD und Grünen. «Diese Kakophonie schadet unserer Stadt!»

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