Hochstadt (dpa/lhe) – Das Nest ist kunstvoll gebaut, doch von den darin lebenden Tieren geht potenziell Gefahr für die heimische Natur aus: Asiatische Hornissen haben ihren Weg nach Hessen gefunden – und sie werden immer zahlreicher. In einen Schutzanzug gekleidet nähert sich Reiner Jahn dem Bau der Tiere am Balkon eines Wohnhauses. Mehrere der großen, schwarz-gelben Insekten schwirren um ihn herum. Jahn wird das Nest entfernen, denn die Hornissen sind als invasive Art eingestuft.
Jahn ist im Auftrag des Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) unterwegs. 2019 wurden Asiatische Hornissen das erste Mal in Hessen entdeckt, die Meldung kam aus dem Landkreis Bergstraße. Die Ausbreitung läuft in Richtung Norden und Osten. Inzwischen sind die Hornissen unter anderem auch im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis angekommen, eine Sichtung gab es im Landkreis Waldeck-Frankenberg.
Honigbienen auf dem Speiseplan
Invasive Arten, die sich in Gebieten ausbreiten, in denen sie nicht heimisch sind, können erhebliche Schäden anrichten – unter anderem, da natürliche Fressfeinde fehlen. Sie können einheimische Arten verdrängen und damit die natürliche Vielfalt bedrohen. Asiatische Hornissen ernähren sich von anderen Insekten, darunter Honigbienen und Wespen.
Reiner Jahn saugt an dem Wohnhaus im Maintaler Stadtteil Hochstadt im Main-Kinzig-Kreis zunächst mit einem speziellen Sauger die herumschwirrenden Insekten ein. Schnell wuselt es im Auffangkasten aus Plastik. Auf rund 300 Tiere schätzt Jahn die Zahl der Bewohner des Nests. Diese werden nun betäubt und die Eingänge mit einem speziellen Schaum verschlossen.
Auch zwischendurch muss Jahn saugen, denn immer wieder kommen Hornissen an und versuchen, ins Nest zu gelangen. Schließlich wird der Bau heruntergenommen und in einen Sack gesteckt. Es wird, ebenso wie die Insekten, tiefgefroren und so für weitere Untersuchungen konserviert.
Experte rechnet mit Hunderten Nestern
Vergangenes Jahr waren es laut Jahn landesweit 150 entdeckte Nester in Hessen, im Jahr zuvor 8. Dieses Jahr sei bereits die Marke von 75 Nestern erreicht, der Experte rechnet damit, dass sich der Stand des vergangenen Jahres verdoppeln wird. Das HLNUG erwartet in diesem Jahr eine weitere Ausbreitung im Odenwaldkreis und in Mittelhessen.
Die Bewohner des Einfamilienhauses in Hochstadt hatten den Nestbau einige Wochen beobachtet, sie gingen zunächst von heimischen Hornissen aus, wie sie berichten. Als dann Zweifel aufkamen, wurde der örtliche Imkerverein benachrichtigt, der schnell feststellte: Es handelt sich um die asiatische Art, deren Auftreten meldepflichtig ist. Dies kann über das Meldeportal des HLNUG geschehen.
Weitere invasive Arten in Hessen
Neben den Hornissen sind in Hessen zahlreiche weitere invasive oder potenziell invasive Arten bekannt. Sie gelangten absichtlich oder unabsichtlich durch den Einfluss des Menschen in die Natur. Tiere entkamen aus Gefangenschaft oder wurden ausgesetzt – wie etwa Waschbären, Nilgänse, Nutrias und Sittiche, die nun stellenweise in Hessen in großer Zahl vorkommen.
Auch die Asiatische Tigermücke, die in ihrer Heimat als Überträger von Krankheiten bekannt ist, hat das HLNUG im Visier. Das Landesamt forderte kürzlich Städte und Gemeinden auf, gegen eine Ansiedlung und Ausbreitung der kleinen, schwarz-weißen Stechmücken vorzugehen. Bürgerinnen und Bürger sollen darauf achten, dass es auf Balkon und Terrasse keine Wasseransammlungen etwa in Blumenuntersetzern gibt. Vogeltränken sollen einmal pro Woche gereinigt und Regentonnen mit Netzen überzogen werden.
Gartenabfälle nicht in der Natur entsorgen
Für Ärger sorgen auch eingeschleppte Pflanzen wie etwa die Beifußblättrige Ambrosie, der Riesen-Bärenklau, das Drüsige Springkraut oder der Rundblättrige Baumwürger. Ursprung sind häufig Gartenabfälle, die achtlos in die Natur geworfen werden. Dies sollte man unterlassen, mahnt das HLNUG. Gebietsfremde Arten hätten auch nichts im Garten zu suchen, Haustiere aus Terrarium oder Aquarium sollen nicht in der Natur ausgesetzt werden.
Das Landesamt ruft Bürgerinnen und Bürger generell auf, invasive Arten zu melden, seien es Tiere oder Pflanzen: «Je mehr Beobachtungen gemacht werden, umso besser kann abgeschätzt werden, ob und wie weit sich eine Art ausbreitet und ob Gegenmaßnahmen erforderlich sind.» Dazu gibt es im Internetangebot des HLNUG ein Meldeportal.