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Bayern fordert bundesweite Aussetzung von Verbandsklagen

München/Oerlenbach (dpa) – Zur Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen fordert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger eine bundesweite Aussetzung des Verbandsklagerechts. Die Möglichkeit von Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutzrecht sei «ein Faktor, der nach wie vor zu erheblichen Verzögerungen beim Ausbau der Energieinfrastruktur führen kann und damit der durch die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses intendierten Beschleunigungswirkung entgegenstehen kann», schreibt der Freie-Wähler-Chef in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), der der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt.

Aiwanger fürchtet massive Schwächung der Investitionsbereitschaft 

Um beim Bau etwa von Straßen, Leitungen, Schienen oder Stromtrassen schneller voranzukommen, sei daher «eine Einschränkung, zumindest aber ein dreijähriges Aussetzen des Verbandsklagerechts für Infrastrukturmaßnahmen insbesondere im Energiebereich» erforderlich, betonte Aiwanger. Die bisher bestehenden Klagemöglichkeiten für nicht direkt von den Bauprojekten betroffenen Umweltverbände verhinderten verlässliche Planungsgrundlagen und führten dadurch zu einer massiven Schwächung der Investitionsbereitschaft in die Energieinfrastruktur in Deutschland.

Auf Nachfrage erklärt Aiwanger, dass die bestehenden Klagemöglichkeiten den Ausbau der Energieinfrastruktur zum Teil massiv einbremsen würden. «Das ist weder den Bürgern im Land noch unserer Wirtschaft zu vermitteln. Wenn die Bundesregierung in den kommenden Jahren Investitionen von hunderten Milliarden Euro ermöglichen will, muss sie das Verbandsklagerecht ändern und eindampfen.» Sonst würden viele Vorhaben «zum Rohrkrepierer werden».

Reiche bei Baubeginn von Suedlink in Bayern dabei

An diesem Freitag ist Reiche im unterfränkischen Oerlenbach beim Baubeginn der Stromtrasse Suedlink in Bayern zu Gast – auch hier gibt es massive Proteste von Anwohnern gegen die meist unterirdischen Leitungen für erneuerbaren Strom aus Norddeutschland. Aiwanger selbst war in früheren Jahren übrigens auch vehementer Trassengegner. Inzwischen spricht er sich wie die gesamte Staatsregierung aber auch für den Bau weiterer Leitungen aus.

Aiwanger fordert auch Veränderung von Aarhus-Konvention 

Aiwangers Forderung an Reiche geht aber noch weiter – so spricht er sich in dem Brief nicht nur dafür aus, dass die CDU-Ministerin sich «innerhalb des Bundeskabinetts und auf allen Ebenen» für das Moratorium im Verbandsklagerecht einsetzen möge. Aus seiner Sicht wäre auch eine Änderung der sogenannten Aarhus-Konvention erforderlich. 2007 ratifizierte Deutschland das internationale Abkommen, welches eine Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten einfordert.

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung haben sich Union und SPD bereits auf Reformen im Klagerecht geeinigt: «Das Verbandsklagerecht vor Verwaltungsgerichten werden wir reformieren, straffen und auf die tatsächliche Betroffenheit ausrichten. Wir werden es bis auf das europarechtliche Mindestmaß absenken und durch Initiativen der Bundesregierung auf eine weitere internationale Reduzierung hinwirken.»

Greenpeace warnt vor gefährlichen Folgen für Demokratie

«Was Minister Aiwanger fordert, ist brandgefährlich. Die Rechte von Umwelt- und Naturschutzverbänden auszusetzen, verstößt gegen nationales und internationales Recht», sagte Saskia Reinbeck von Greenpeace. Wer das Klagerechte angreife, beschädige die Stabilität der Gesellschaft. 

Weiter: «Die bayerische Landesregierung hat den Ausbau von Windrädern und Stromtrassen in den vergangenen zehn Jahren massiv behindert. Dieses politische Versagen nun ausgerechnet Umweltschutzverbänden in die Schuhe schieben zu wollen, ist absurd», betonte Reinbeck. Viele Verbände forderten seit Jahren einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.

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