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Deutlich mehr Anträge für Windräder – So läuft der Ausbau

Stuttgart (dpa/lsw) – In nur einem Monat sind im Südwesten so viele Anträge für den Bau neuer Windräder bei den Behörden eingegangen wie nie zuvor. Allein von Ende Mai bis Ende Juni seien Anträge für gut 1.100 neue Windräder eingereicht worden, teilte das Umweltministerium unter Berufung auf die Genehmigungsbehörden mit. Zum Vergleich: Derzeit drehen sich im Südwesten 803 Windräder. Woher kommt der plötzliche Boom und welche Folgen hat das für den schleppenden Ausbau der Windkraft im Südwesten? Ein Überblick.

Warum gibt es plötzlich so viele neue Anträge?

Hauptgrund des Antragsbooms ist nach Einschätzung des Umweltministeriums das Auslaufen einer Sonderregelung auf Bundesebene. Bislang galt für Windräder, die in ausgewiesenen Vorranggebieten gebaut werden sollen, ein vereinfachtes Verfahren. Der entsprechende Paragraf sei aber von der Bundesregierung nicht verlängert worden und zum 30. Juni ausgelaufen. Mit den Anträgen hätten sich die Windkraft-Unternehmen noch ein erleichtertes Genehmigungsverfahren gesichert, so ein Sprecher des Ministeriums.

Wie kommt der Ausbau bislang voran? 

Eher schleppend. Wie aus einer Auswertung der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg und des Bundesverbands Windenergie hervorgeht, wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 13 neue Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von gut 53 Megawatt gebaut. Bundesweit waren es im selben Zeitraum mehr als 400 Anlagen an Land, davon 117 in Nordrhein-Westfalen und 91 in Niedersachsen. Insgesamt drehen sich im Südwesten derzeit 803 Windräder. Bundesweit sind es knapp 28.000. 

Geht es jetzt richtig los?

Das wird sich zeigen. Das Ministerium glaubt, dass sich ein Großteil der beantragten Windräder auch irgendwann drehen wird. Weil die Windkraft-Unternehmen die Anträge nur stellen durften, wenn sie sich bereits eine entsprechende Fläche gesichert haben, gehe man davon aus, dass die Projekte größtenteils realisiert würden, so der Sprecher. 

Wie schnell das geht, ist aber unklar, denn noch sind die Windräder ja nicht genehmigt. Man gehe davon aus, dass man im kommenden Jahr über mindestens 300 Genehmigungen entscheiden könne, so das Ministerium. Bis dann alle neu beantragten Windräder eine Genehmigung hätten, würden rechnerisch rund vier Jahre vergehen. 

Außerdem gibt es auf Bundesebene noch eine weitere Unsicherheit. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie das sogenannte Referenzertragsmodell «auf Kosteneffizienz» überprüfen wollen. Dabei geht es um die Verteilung von Fördergeldern für Windkraftanlagen – es sorgt dafür, dass Anlagen an weniger windstarken Standorten wirtschaftlich betrieben werden können, indem sie höhere Vergütungen erhalten als Anlagen an sehr windreichen Standorten. 

Baden-Württemberg fürchtet, dass eine Änderung daran Windkraft im Südwesten weniger attraktiv machen könnte. «Der Bund muss an dieser Stelle klipp und klar sagen, dass er hinter dem Ausbau der Windenergie im Süden steht», sagte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne).

Wie sehen die Ziele des Landes aus? 

Um seine Klimaziele erreichen zu können, muss das Land einer Studie zufolge bis 2030 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 6.100 Megawatt installiert haben. Dieses Ziel ist aus Sicht des Umweltministeriums mit den vielen Neuanträgen nun greifbar. Die wegen des Auslaufens der Sonderregelung beantragten Anlagen hätten eine Gesamtleistung von mehr als 8.500 Megawatt, teilte das Umweltministerium mit. Noch drehen sich im Südwesten Windräder mit einer Gesamtleistung von knapp 2.000 Megawatt Leistung. 

Was hat sich die Grün-Schwarz vorgenommen? 

Im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU steht, man wolle die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 1.000 neuen Windkraftanlagen schaffen. Diese Vereinbarung sieht die Umweltministerin nun als erfüllt an. «Damit übertreffen wir das Ziel aus dem Koalitionsvertrag, die Voraussetzungen für die Errichtung von mindestens 1.000 neuen Windkraftanlagen bis 2030 zu schaffen», sagte Walker. Allerdings steht das Jahr 2030 so nicht in der Passage des Koalitonsvertrags. 

Auch hatten Vertreter von Grün-Schwarz in der Vergangenheit davon gesprochen, dass das Ziel sei, 1.000 neue Windräder zu bauen – und nicht nur die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Zahl von 1.000 neuen Windrädern hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon länger einkassiert. Ende 2022 hatte der Grünen-Politiker das Ziel ausgegeben, im Jahr 2024 100 neue Windräder zu bauen. Dieses Ziel hatte er Anfang 2024 wieder infrage gestellt, am Ende gingen 2024 dann 22 neue Windkraftanlagen in Betrieb.

Wie läuft der Ausbau bei der Photovoltaik? 

Der Ausbau bei Solar läuft deutlich besser. Im vergangenen Jahr installierten Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen insgesamt 2.120 Megawatt an neuer Leistung, hatte das Solarcluster Baden-Württemberg Anfang des Jahres mitgeteilt. Auch im laufenden Jahr geht es gut voran. Im ersten Halbjahr waren nach Angaben des Umweltministeriums knapp 1000 Megawatt hinzugekommen. Anfang Mai war der größte Solarpark des Landes in Langenenslingen im Landkreis Biberach ans Netz gegangen. Er hat allein eine Gesamtleistung von 80 Megawatt.

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