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Bürgerentscheid als letzte Chance für den Nationalpark

Kleve (dpa/lnw) – Es ist die letzte Chance für einen zweiten Nationalpark in NRW: In den kommenden Tagen beginnt im Kreis Kleve der Bürgerentscheid über das Naturschutzprojekt der Landesregierung. 265.000 Bürgerinnen und Bürger erhalten die Briefwahlunterlagen und können dann bis Mitte Dezember ankreuzen, ob sie einen Nationalpark in ihrem Kreis wollen oder nicht. Sagen sie mehrheitlich nein, wäre das Projekt, das vor allem die Grünen im Land vorangetrieben haben, nach einer langen Hängepartie wohl endgültig vom Tisch.

Weshalb soll es überhaupt einen weiteren Nationalpark in NRW geben?

Bislang gibt es in NRW einen Nationalpark in der Eifel. Dort steht die Natur unter größtmöglichem Schutz, Wälder und Landschaften dürfen wieder ein Stück weit verwildern. Doch dieser eine Nationalpark reicht nicht aus, argumentierte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne). Fast jede zweite Tier-, Pilz- und Pflanzenart im Land stehe auf der «Roten Liste» – sei also gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. 

Mit der Ausweisung eines zweiten Nationalparks will die Landesregierung die Artenvielfalt im Land verbessern. Das haben CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Weshalb soll der Nationalpark ausgerechnet am Niederrhein entstehen?

Ursprünglich waren sechs Standorte im Rennen, die das Land für geeignet hielt. Doch vor Ort stieß das Projekt nirgendwo auf große Begeisterung. Überall haben die lokalen politischen Gremien das Naturschutzprojekt abgelehnt. Vor allem CDU und FDP stellten sich in den Kreistagen mit ihren Mehrheiten dagegen, während Grüne und SPD meist dafür waren. Am Ende bleibt von den sechs Standorten jetzt nur noch der Reichswald in Kleve am Niederrhein übrig. Dort könnten die Bürger in letzter Minute doch noch den Weg freimachen.

Was ist das besondere am Klever Reichswald?

Der Klever Reichswald ist mit 51 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Waldgebiet am Niederrhein. «Wir haben viele Nationalparke im Mittelgebirge und in den Alpen, aber gerade in Nordwestdeutschland fehlt ein solcher Nationalpark», betont Minister Krischer. 

Nachdem es in der Region im Zweiten Weltkrieg massive Kämpfe mit mehr als 10.000 Toten und großen Auswirkungen auf die Landschaft gab, wurde der Reichswald aufgeforstet und erhielt sein heutiges Gesicht mit vielen Rotbuchen und Eichen. Weite Teile des Gebiets stehen bereits unter Schutz. Bemerkenswert ist nach Angaben des Kreises auch die hohe Zahl an brütenden Greifvögeln.

Welche Argumente haben die Nationalpark-Gegner?

Kritiker fürchten durch einen Nationalpark Einschränkungen für die örtliche Wirtschaft. So darf in einem Nationalpark bis auf wenige Ausnahmen keine Forstwirtschaft betrieben werden, Windräder dürfen nicht aufgestellt werden und auch für Wanderer und Radfahrer sind kleinere Einschränkungen zugunsten der Natur möglich. Im Kreis Kleve warnen etwa die CDU und örtliche Stadtwerke zudem vor möglichen Einschränkungen bei der Versorgung der Menschen mit Trinkwasser aus dem Reichswald.

Krischer widerspricht dem ausdrücklich: «Eine Versorgung mit bestem Nationalpark-Trinkwasser ist sichergestellt», betonte der Minister in einem Brief. Auch die Wirtschaft könne profitieren, indem der Tourismus angekurbelt werde und neue Arbeitsplätze entstehen. Im Nationalpark Eifel könne man sehen, wie Umsatz und Besucherzahlen stark gestiegen seien.

Wie läuft nun der Bürgerentscheid ab?

Der Klever Kreistag hat mehrheitlich Nein zu einem Nationalpark Reichswald gesagt. Doch weil 17.000 Menschen ein Bürgerbegehren gegen diese Entscheidung unterschrieben haben, kommt es nun zum Bürgerentscheid. 265.000 Bürgerinnen und Bürger dürfen an der reinen Briefwahl teilnehmen und ankreuzen, ob der Klever Reichswald ein Nationalpark werden soll oder nicht. 

Zwei Hürden müssen die Nationalpark-Befürworter nehmen: Zum einen muss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen pro Nationalpark sein. Außerdem muss die Wahlbeteiligung so hoch sein, dass am Ende mindestens 15 Prozent aller Wahlberechtigten hinter dem Vorhaben stehen. Dafür braucht es mindestens 39.750 Ja-Stimmen. Mitte Dezember soll das Ergebnis vorliegen, so die Pläne des Kreises.

Was passiert, wenn die Bürger für einen Nationalpark stimmen?

Dann würde sich der Kreis Kleve beim Land als Standort für den zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen bewerben. Da keine Konkurrenten mehr im Rennen sind und Umweltminister Krischer hinter dem Standort Kleve steht, stünden die Chancen für das Projekt dann gut.

Was passiert, wenn eine Mehrheit dagegen stimmt?

Bei einem mehrheitlichen Nein der Bürger wäre der Plan für einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen wohl vom Tisch – auch wenn Umweltminister Krischer betont, dass die Tür für interessierte Regionen weiterhin offenstehe. Gleichzeitig hat das Ministerium versprochen, dass es ohne die Zustimmung der Menschen vor Ort keinen zweiten Nationalpark geben werde.

Welche Folgen hätte das für den Artenschutz?

Stattdessen könnten dann die Moore stärker in den Fokus rücken. Denn eine Renaturierung von Mooren könne ebenfalls zur Bewahrung der biologischen Vielfalt und zu einem natürlichen Klimaschutz beitragen. «Nordrhein-Westfalen verfügt im Vergleich zu anderen Bundesländern über kleinflächigere Moore, aber wir haben das Potenzial für mehr», sagt Krischer. Das Ziel, die biologische Vielfalt im Land zu schützen, wäre nicht gescheitert, nur weil es keinen zweiten Nationalpark gäbe. «Nationalparke sind eine von vielen Möglichkeiten, über die wir sprechen können.»

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