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Experte: Es gibt keine Selbstentzündung von Feuer im Wald

Dresden (dpa/sn) – Der Dresdner Waldwissenschaftler Michael Gunter Müller sieht trotz der aktuellen Waldbrände keinen Grund für Panik. Vielmehr plädiert er für ein bewährtes Vorgehen und bessere Vorsorge. «Das Waldbrandgeschehen sinkt seit 50 Jahren, wenn auch mit Schwankungen. Die größten Waldbrände in Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 waren auf dem Gebiet der späteren DDR rund 100.000 Hektar betroffen», erklärte der Professor für Waldschutz an der TU Dresden im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Mitte der 1970er Jahre habe es noch einmal einen Höhepunkt gegeben, seitdem lasse sich eine sinkende Tendenz beobachten. 

Nach den Worten von Müller braucht ein Waldbrand drei Voraussetzungen: Sauerstoff, auslösende und übertragende Energie sowie Brennmaterial. Gegen die ersten beiden Punkte könne man vorbeugend nichts machen. Um Ursachen zu vermeiden, seien Öffentlichkeitsarbeit und Brandschutzerziehung angebracht. «Blitzschläge sind in Deutschland die einzige natürliche Waldbrandursache und führen eher selten zu Waldbränden. Eine Selbstentzündung von natürlichem Waldmaterial gibt es nicht – egal, wie heiß das Wetter ist.» Für Zündungen solcher Materialien seien mindestens 300 Grad Celsius erforderlich, das werde mit Sonneneinstrahlung nicht erreicht.

Experte: Meistens ist es grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz

Auch im Fall des jüngsten Brandes in der Gohrischheide müsse man von einer menschengemachten Ursache ausgehen, sagte der Wissenschaftler, denn es habe keine Gewitter mit Blitzeinschlägen gegeben. Nicht selten würden Waldbrände auf Flächen entstehen, die durch Munition belastet seien. Phosphormarkierungsmaterial oder Leuchtspur-Munition könne sich tatsächlich durch Sonnenstrahlung entzünden. «In den meisten Fällen ist es aber grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz von Menschen, der auch sehr unterschiedlich sein kann.» Dahinter müsse sich nicht zwangsläufig kriminelle Energie verbergen.

Müller zufolge handelt es sich bei dem Brand in der Gohrischheide vor allem um Bodenfeuer. Bei einem Vollfeuer würden stets auch die Kronen der Bäume von den Flammen erfasst, die deutlich höher sein können als die Bäume. Diese würden aber auch bei einem Bodenfeuer absterben, wenn sie am Stammfuß Temperaturen von mehr als 60 Grad Celsius ausgesetzt seien. «Bei 60 Grad degenerieren die Eiweiße, dann stirbt die Wachstumsschicht der Bäume. Ein Baum muss gar nicht ganz brennen. Aber wenn die Wachstumsschicht getötet wird, dann stirbt der Baum unweigerlich.»

Flammen können starke Dynamik entfalten

Nach Darstellung des Wissenschaftlers können Flammen eine starke Dynamik entfalten. Eine Flamme könne ein Feuer in dreifacher Entfernung der Flammenhöhe nur durch die Wärmestrahlung erzeugen. «Wenn es eine zwei Meter hohe Flamme gibt, kann sie Materialien in sechs Meter Entfernung entzünden. Bei einem Vollfeuer mit einer Flammenhöhe von 30 Meter wird Material in bis zu 90 Meter Entfernung entzündet.» Wärmeübertragung durch heiße Luft und Funkenflug kämen noch dazu. Deshalb sei es dann für Feuerwehren unmöglich, nahe genug an die Feuerfront zu gelangen.

Laut Müller gelingt es meist, die Feuer schnell unter Kontrolle zu bringen. 99 Prozent aller Waldbrände in Deutschland würden derzeit auf eine Fläche von deutlich unter einem Hektar begrenzt und in den ersten ein bis zwei Stunden gestoppt. «Das ist die Regel. Dann bleibt ein Prozent übrig, das sind bis zu zehn Brände pro Jahr, wo es ausufert.» Glücklicherweise seien die Menschen heute sensibel, hätten in der Regel ein Mobiltelefon dabei und würden Feuer schnell melden. Im Zusammenspiel mit Überwachungskameras könne man fast alle Brände binnen zehn Minuten orten, wenn die Rauchwolke einen Durchmesser von zehn Metern habe.

Wenige Waldbrände zur Corona-Zeit

Außerdem spiele die gegenseitige Kontrolle eine Rolle, erklärte Müller. Als Beleg nannte er das Corona-Jahr 2020. Damals sei es ähnlich wie in den beiden Vorjahren sehr trocken gewesen. «Es gab aber ganz wenige Waldbrände. Das lag an Corona.» Anfangs hätten die Menschen zu Hause bleiben müssen, später sei der Wald mangels Alternativen voll von Spaziergängern gewesen. «Die Leute haben aufeinander aufgepasst. Wenn da jemand gezündelt hätte, wäre er womöglich entdeckt worden. Daran kann man sehen, wie effektvoll die vorsorgende Mitwirkung von Waldbesucherinnen und -besuchern sein kann.»