Geesthacht/Lauenburg (dpa) – In den vergangenen Jahren konnte an der Fischtreppe der Elbe im schleswig-holsteinischen Geesthacht immer wieder ein Naturschauspiel beobachtet werden: Zehntausende Wollhandkrabben krabbelten die Fischtreppe entlang den Fluss nach oben. Doch in diesem Jahr fiel das Spektakel aus: «Es gibt nur ganz wenige Krabben. Wir haben einen Rückgang von etwa 90 Prozent. Dieser Massenauflauf ist Geschichte», sagte Elbefischer Eckhard Panz der Deutschen Presse-Agentur in Lauenburg/Elbe.
Die wenigen Tiere, die in der Elbe unterwegs sind, seien zudem deutlich geschwächt. «Sie sind nicht so fit und sterben und ihr Panzer ist nur halbfest.» Geesthacht liegt in Schleswig-Holstein, östlich von Hamburg und nah an den Grenzen zu Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Junge Krabben wandern den Fluss hinauf
Ähnlich wie etwa Aal oder Flunder pflanzen sich die Wollhandkrabben im Meer fort und die Jungtiere wandern die Flüsse hoch, wo sie Nahrung finden. Wo dann Hindernisse auftauchten, krabbeln sie auch am Ufer entlang. An der Fischtreppe bei Geesthacht bot sich das Schauspiel zuletzt fast jedes Jahr.
Die Treppe hilft Fischen, die Höhe der Staustufe Geesthacht in der Elbe zu überwinden und so flussaufwärts zu laichen – also im Gebiet des Elbefischers Panz. Wenn sie erwachsen sind, lassen sich die Tiere mit der Strömung zurück in Richtung Meer treiben.
Krabbenfang lohnt sich nicht mehr
Panz hatte die Krabben in den vergangenen Jahren in großen Mengen gefangen und daraus ein Geschäft gemacht. «Wir haben rund 500 Kilogramm Krabben pro Woche gefangen. Jetzt sind es drei bis vier Kilogramm pro Woche. Das lohnt sich nicht.»
Auch in der Weser in Niedersachsen/Bremen ist in diesem Jahr dem Alfred-Wegner-Institut (Awi) zufolge eine deutliche geringere Zahl an Tieren beobachtet worden. «Ich würde schätzen, dass es sich um einen Rückgang von 30 bis 50 Prozent handelt», sagte Awi-Flusskrebsforscher Oliver Hauck dazu. Hier werden die Tiere seit zwei Jahren im Rahmen eines Projektes beobachtet. In der Weser sollen demnächst auch Fallen für Wollhandkrabben eingesetzt werden.
Wollhandkrabbe ist vor mehr als 100 Jahren eingeschleppt worden
Konkrete Daten zur Bestandsdichte der Wollhandkrabbe in den Flüssen von Hamburg und Schleswig-Holstein liegen weder im Umweltministerium in Kiel noch in der Umweltbehörde in Hamburger oder dem Umweltschutzverein BUND vor. «Aus natur- und artenschutzfachlicher Sicht wäre ein Rückgang der Population dieser als invasiv eingestuften Art nicht nachteilig», hieß es zudem aus Kiel.
Die Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) ist vor etwa 100 Jahren über den Schiffsverkehr hierzulande eingeschleppt worden. Die Tiere waren zuletzt millionenfach in vielen größeren europäischen Flüssen verbreitet, auch etwa im Rhein und der Weser.
Probleme verursachten die Tiere bislang durch ihre schiere Masse. Weil sie so viele waren, verdrängten und fraßen sie die heimischen Flusstiere. Zudem können sie Löcher in die Deiche bohren und so die Struktur beschädigen. Fischer konnten Wollhandkrabben bislang teuer nach China verkaufen – dort zählt die Art als Delikatesse.
Delikatesse für vom Aussterben bedrohte Lachseeschwalben
Dem BUND Schleswig-Flensburg zufolge hat die eingeschleppte Krabbe aber auch einige positive Funktionen in den Ökosystemen übernommen. «Beispielsweise dienen junge Wollhandkrabben den vom Aussterben bedrohten Lachseeschwalben in der Elbmündung als Futter für die Küken», sagte der BUND-Kreisgruppenvorsitzende Rainer Borcherding dazu.
Da der Großteil der heimischen Arten aus der schwer von Wasserbau und Industrie geschädigten Unterelbe verschwunden sei, wäre die Wollhandkrabbe «immerhin ein robuster Ersatzorganismus, der einige ökologische Funktionen übernommen hat, wo heimische Arten es nicht mehr schaffen».