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Gemengeanbau – ein Duett für mehr Vielfalt auf dem Acker

Belm/Visselhövede (dpa/lni) – Odette Weedon kniet auf einem Acker und hält eine Sommerweizenähre und eine Erbsenschote in der Hand. Beide Feldfrüchte wachsen hier gemeinsam nebeneinander und sollen auch gemeinsam geerntet werden. Was hier, in Belm bei Osnabrück, praktiziert wird, nennt sich Gemengeanbau – dabei werden verschiedene Kulturen gleichzeitig angebaut. Er wird vor allem im Biolandbau praktiziert und hat viele ökologische Vorteile.

Widerstandsfähiger gegen Wetterextreme

Gemengeanbau soll Studien zufolge widerstandsfähiger gegen Wetterextreme sein, das Wachstum von Unkraut unterdrücken und dafür sorgen, dass Nährstoffe im Boden besser genutzt werden. Auch die Artenvielfalt profitiert Experten zufolge davon. Ein Problem aber ist die Ernte: Das Gemisch, zum Beispiel aus Getreide und Erbsen, lässt sich bislang überwiegend nur als Viehfutter verwenden. 

Die Vorteile des Gemengeanbaus seien für Landwirte sehr groß, vor allem mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels, sagt Weedon. Sie ist Wissenschaftlerin an der Universität Kassel im Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften und beschäftigt sich mit ökologischem Pflanzenschutz. Ein Faktor, der viele Ökolandwirte noch vom Gemengeanbau abschrecke, sei aber der Umstand, dass es kaum Abnehmer und damit Verwendung für die Ernte gebe. 

Verwendung als Backweizen

An dieser Stelle kommt ein spezielles Projekt mit dem Namen «Vorwerts» ins Spiel – kurz für «Verwendung Ökologischer Rohstoffe in regionalen Wertschöpfungsketten». Zusammen mit acht regionalen Partnern sollen weitere Verwendungsmöglichkeiten für die Mischkulturen gefunden werden. Dazu gehören Landwirtinnen und Landwirte, Mühlen und Bäckereien sowie deren Kundschaft. «Wir wollen den Abnehmerkreis für die Mischkulturen vergrößern und Mühlen gewinnen, sich darauf einzulassen», sagt Weedon.

Im Mittelpunkt stehe bei dem Projekt die Entwicklung eines speziellen Backweizens. «Der Hauptvorteil ist, dass die Backqualität zusammen mit der Erbse erhöht werden kann.» Die Herausforderung sei die Trennung der Erbse vom Weizen. «Nicht die ganze Erbse ist das Problem», erläutert die Wissenschaftlerin. Problematisch seien eher die Brucherbsenteile. Wenn während des Druschs die Erbsen brechen, seien die Erbsenstücke ähnlich groß wie das Getreide.

Aufwendige Trennung

Eine Trennung beider Früchte sei technisch zwar möglich, aber je feiner die Trennung werde, desto aufwendiger und damit teurer werde am Ende das Mehl, sagt Weedon. Dann sei der Backweizen für Bäckereien wirtschaftlich nicht mehr interessant. Das Produkt dürfe nicht mehr kosten als normaler Weizen.

Zusammen mit den Mühlen und den beteiligten Bäckern solle nun am Backweizen geforscht werden. Bereits getestet worden sei, dass der Erbsenanteil nicht höher als fünf Prozent sein dürfe, um die Geschmackseigenschaften und die Sensorik nicht negativ zu beeinflussen. In dem Projekt wirkten ausschließlich handwerkliche Bäckereibetriebe mit. «Da arbeiten wir mit idealistischen Akteuren, die wirklich Bock haben, etwas Neues und Anderes auszuprobieren.»

Keine Bedeutung für konventionelle Landwirtschaft

Aber: «Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, wir müssen noch beweisen, dass es klappt, dass der Erbsenanteil keine negativen Effekte hat», sagt Weedon. Ein Vorteil könnte sein, dass dank der Erbsen mehr Wasser in den Teig gegeben werde und sich damit die Backwaren länger frisch halten.

Für konventionelle Landwirte spiele der Gemengeanbau so gut wie keine Rolle, sagt Henning Niemann vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen. «Im Ökoanbau kommen die Vorteile besser zum Tragen, weil man konventionell mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln viel ausgleichen kann.» Das gelte beispielsweise bei der Bekämpfung von Schädlingen oder der Verfügbarkeit von Nährstoffen.

Sortenreine Ergebnisse gewünscht

Im vergangenen Jahr waren laut Landwirtschaftskammer bei der Agrarförderung in Niedersachsen 2.474 Hektar zum Gemengeanbau gemeldet. In der Hochleistungslandwirtschaft finde Gemengeanbau kaum Anklang, weil man dort sortenreine Ergebnisse brauche, sagt Silke Breustedt-Muschalla vom Landvolk Niedersachsen. Auch sie verweist auf die aufwendige Trennung der beiden Ackerfrüchte. Zwar gebe es Konzepte, wo es für landwirtschaftliche Betriebe sinnvoll sei und auch gemacht werde: «Aber das sind nur einige wenige, und insgesamt spielt es als Hauptfrucht nur eine untergeordnete Rolle.» 

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