Berlin (dpa/bb) – Grünen-Fraktionschef Werner Graf wirft dem schwarz-roten Senat Ignoranz beim Thema Hitzeschutz vor. «Berlin muss hitzefest und wetterfest werden. Das ist die Stadt im Augenblick nicht. Und diese Debatte muss diese Stadt führen», sagte Graf der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn wir uns jetzt davor drücken, werden wir in zehn oder 15 Jahren in einer katastrophal heißen Stadt leben.»
Der Senat mache jedoch genau das Gegenteil von Hitzeschutz. «In der Bauordnung wurde die komplette Ökologisierung herausgestrichen. Das neue Schneller-Bauen-Gesetz ist eigentlich ein Schneller-Baumfällen-Gesetz», sagte Graf. Das seien aber genau die falschen Antworten. «Es müssen mehr Bäume gepflanzt werden. Wir fällen in Berlin aber zurzeit mehr als doppelt so viele Bäume, wie wir neue pflanzen», kritisierte der Grünen-Politiker.
«Wenn das Grau wächst, muss das Grün mitwachsen»
«Wir brauchen aber mehr Grün und der Grundsatz muss sein: Wenn das Grau wächst, muss das Grün mitwachsen, wir dürfen nicht nur auf Beton setzen», sagte Graf. «Wir fordern deshalb, dass bei Neubauten mindestens ein Fünftel der Fläche als Grünfläche ausgewiesen und auch begrünt wird. Wir wollen, dass jedes Dach ab 30 Quadratmeter begrünt wird – bisher sind es 100 Quadratmeter.» Notwendig sei außerdem eine Pflicht zur Fassadenbegrünung.
«Wir wollen auch, dass Hinterhöfe begrünt und entsiegelt werden müssen. Auch da haben wir im Augenblick sehr, sehr viel Beton. Wir können Schottergärten verbieten», ergänzte Graf. «Das sind viele Maßnahmen, die dafür sorgen können, dass die Stadt deutlich abgekühlt wird.»
Großen ökologischen Nutzen bringe vor allem die Entsiegelung. «Wir haben ja nicht nur ein Hitzeproblem. Wir haben auch ein riesiges Wasserproblem. Wir müssen die Entsiegelung voranbringen, auch damit wir in Berlin auf Dauer Grundwasser haben, das wir trinken und von dem wir leben können», erläuterte Graf.
«Wenn wir über 1,5 Grad Erwärmung durch den Klimawandel reden, geht es bei den Städten eher um 2 bis 3 Grad», warnte der Grünen-Fraktionschef. «Es entstehen Hitzeinseln, wo ältere Menschen oder Kinder überhaupt nicht mehr aus den Häusern können.» Es sei Zeit, gegenzusteuern.
«Laut Statistischem Bundesamt sind in Berlin 2022 insgesamt 416 Menschen an Hitze gestorben, zwölfmal so viele wie im Straßenverkehr. Das ist dramatisch, und der Senat nimmt dieses Thema nicht ernst», sagte Graf. «Andere Städte machen uns es längst vor, wie es besser funktioniert. In Singapur, New York, Paris oder Kopenhagen fangen sie an, ihre Städte für die Zukunft fit zu machen. Schwarz-Rot in Berlin geht zurück in die 50er Jahre und setzt auf eine Stadt aus Stein.»
Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe
Auch nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe schützen viele Städte ihre Bewohner nicht ausreichend vor sommerlicher Hitze, weil es zu wenig Bäume und Hecken sowie zu viel versiegelte Fläche gibt.
In einer Untersuchung der Natur- und Umweltschutzorganisation, deren Ergebnisse am Dienstag veröffentlicht wurden, landet Berlin in dieser Hinsicht im bundesweiten Städteranking auf Platz 21 und damit deutlich vor Hamburg, München oder Frankfurt.
Für ihren Hitze-Check ließ die Umwelthilfe Satellitendaten auswerten und verglich Flächenversiegelung und Grünausstattung der 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern. Das Ergebnis: 24 Städte fielen in beiden Kategorien durch, weitere 82 Städte schnitten zumindest in einer Kategorie schlecht ab. Zugleich verteilte die Umwelthilfe aber auch 84 grüne Karten an Städte mit vergleichsweise wenig Versiegelung und viel kühlendem Grün – auch an Berlin.