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Enteignung geprüft: Sorgen um Zukunft der Raffinerie PCK

Berlin (dpa) – Seit mehr als einem Jahr arbeitet die Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt ohne russisches Erdöl. Doch Klarheit, wie es mit dem Standort weitergeht, gibt es nach wie vor nicht. Alles hängt am Mehrheitseigner der Raffinerie, den Tochterfirmen des russischen Staatskonzerns Rosneft. Jetzt prüft die Bundesregierung eine Enteignung.

Prompt kam aus dem Kreml in Moskau scharfe Kritik. «Das ist nichts anderes als die Enteignung fremden Besitzes, das sind alles Schritte, die wahrscheinlich die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der europäischen Staaten untergraben», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Solche Handlungen entwerteten Deutschlands Attraktivität als Investitionsstandort.

Viele Fragen sind aber offen, etwa welche Entschädigungszahlungen auf den Bund zukommen können und wer die Rosneft-Mehrheitsanteile übernehmen könnte. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seinem Antrittsbesuch in Polen jedenfalls über die weitere Versorgung der Raffinerie mit Rohöl sprechen will.

Auch wenn eine Entscheidung für eine Enteignung längst nicht gefallen ist, scheint ein neuer Streit sicher. Rosneft werde dagegen vorgehen und alle juristischen Mittel ausschöpfen, sagte Kremlsprecher Peskow. In der Region im Nordosten Brandenburgs sprechen CDU-Politiker von einem Irrweg und einem katastrophalen Signal. Konträr dazu hält die Linke eine Enteignung seit Langem für den richtigen Schritt. Von Schwedt aus werden weite Teile von Nordostdeutschland und Westpolen mit Benzin und Diesel versorgt.

Bisher steht die Raffinerie PCK unter Treuhandverwaltung

Russland hat als Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bereits 2022 seinen Einfluss auf die Raffinerie PCK verloren. Der Bund übernahm die Kontrolle über zwei Tochterfirmen des russischen Staatskonzerns, Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing. Die Mehrheitsanteile an der PCK von 54 Prozent stehen unter Treuhandverwaltung, die bereits mehrmals verlängert wurde.

Ziel war es, die jahrzehntelang mit russischem Öl betriebene und für den Nordosten wichtige Anlage nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem EU-Ölembargo am Laufen zu halten. Die Treuhandverwaltung endet nach jetzigem Stand am 10. März, sie kann verlängert werden.

Enteignung – und dann?

Mit einer Novelle des Energiesicherungsgesetzes ebnete die Bundesregierung bereits 2023 auch den Weg für eine Enteignung. Anteile von Unternehmen unter Treuhandverwaltung können damit leichter verkauft werden. Im Fall von Rosneft ist seit Längerem im Gespräch, dass die polnische Orlen Interesse an einem Einstieg bei der PCK hat.

Hinter vorgehaltener Hand ist aus dem Umfeld der Gesellschafter der Raffinerie aber auch zu hören, dass eine Enteignung die Lieferung von Öl aus Kasachstan gefährden könne. Darauf ist die Anlage zur Sicherung der Versorgung angewiesen. Der Haken: Für die Weiterleitung des kasachischen Öls muss die russische Druschba-Pipeline genutzt werden. Seit dem Ölembargo kommt das Rohöl zudem über den Hafen Rostock sowie über den polnischen Hafen Danzig nach Schwedt.

Rosneft: Enteignung wäre beispiellos

Die vom Unternehmen beauftragte Berliner Anwaltskanzlei Malmendier Legal teilte am Donnerstag mit: «Eine solche Enteignung würde eine Maßnahme darstellen, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos bliebe und auf immer der Investitionssicherheit schaden würde. Rosneft wird als börsennotierte Aktiengesellschaft alle Maßnahmen ergreifen, um die Rechte ihrer Aktionäre zu schützen.»

Die Bundesregierung plant zur Prüfung einer Enteignung zunächst eine Anhörung. Anwalt Bertrand Malmendier sagte auf Nachfrage: «Ob Rosneft sich im Rahmen der Anhörung äußert, wird noch zu entscheiden sein.» Es könne auch bisher nicht abschließend beantwortet werden, wie Rosneft konkret vorgehen werde. «Gegen Enteignungen steht selbstredend der Rechtsweg offen», hieß es.

Die Kanzlei teilte schriftlich noch mit: «Bedenkt man, dass überhaupt erst die Anweisung des Treuhänders, ab dem 1. Januar 2023 kein Rohöl aus Russland mehr zu beziehen sowie die Anordnung einer staatlichen Treuhand im September 2022 die Raffineriebetriebe in die heutige Schieflage gebracht haben, bleibt es ein Kuriosum, wie der Staat selbst oder ein eilig herbeigerufener Dritter die Raffinerien besser soll betreiben können als in der heutigen Konstellation.»

Oberstes Ziel der Bundesregierung bleibt nach dpa-Informationen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Geschäftsbetrieb von Rosneft Deutschland verlässlich und auf Dauer zu sichern. Mit Blick auf das Auslaufen der Treuhandverwaltung hieß es, ohne anschließende staatliche Maßnahme drohe Rosneft Deutschland, seinem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen zu können.

Politiker der CDU aus Brandenburg halten Schritt für falsch

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen und die uckermärkische Landrätin Karina Dörk (CDU) kritisierten in einer gemeinsamen Mitteilung: «Für unsere Region ist die Entscheidung ein katastrophales Signal. Hinter Arbeitsplätze, Energiesicherheit, aber auch die Transformation des Standortes, werden durch die Entscheidung neue Fragezeichen gesetzt. Hinzukommt, dass die geplante Entscheidung zur Enteignung ein verstörendes Signal an alle Investoren in unserem Land ist.»

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