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Halli-Galli-Tourismus? Streit um Kampenwandbahn geht weiter

Aschau im Chiemgau (dpa/lby) – Der Streit um den Neubau der Kampenwandbahn im Chiemgau geht weiter – nicht nur vor Gericht. Vor gut einem Jahr stoppte das Verwaltungsgericht München auf eine Klage des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) hin die Baupläne. Nun aber hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Bahnbetreiber zugelassen.

Es gebe ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des VG-Urteils, sagte ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs. In dem Berufungsverfahren könnten nun artenschutzrechtliche Fragen geprüft werden, etwa ob das Birkhuhn durch den Neubau beeinträchtigt wird. Wann verhandelt wird, ist derzeit noch offen. 

Trasse durch Naturwald?

Die Umweltschützer werfen dem Forstministerium vor, Naturwaldflächen so verändert zu haben, dass die neue Trassenführung formal nicht mehr als Eingriff in den Naturwald gelte.

Der Naturwald war um das Jahr 2020 ausgewiesen worden, teils auf Flächen der lange bestehenden Trasse. Eine Korrektur sei erforderlich geworden, nachdem die fehlerhafte Überschneidung mit der Seilbahntrasse bekanntgeworden sei, erläuterte das Ministerium. Flächen der Trasse seien rechtlich kein Wald.

Gegenseitige Vorwürfe 

Die Kampenwandseilbahn Gesellschaft warf dem BN irreführende Behauptungen vor. Der Naturwald habe die Trasse wie auch deren ursprünglich schon 2017 genehmigte Erweiterung nicht ausreichend berücksichtigt; der Fehler sei korrigiert worden.

«Hier wird der Schutz wertvoller Naturflächen offensichtlich den wirtschaftlichen Interessen eines einzelnen Unternehmens geopfert», kritisierte der BN-Kreisvorsitzende Rainer Auer aus Rosenheim. Wie viele Bäume dem Neubau zum Opfer fallen würden, blieb offen. 

«Halli-Galli-Tourismus»

Der Bund Naturschutz kritisiert überdies geplante Kapazitätserweiterungen und Nachtfahrten in dem stark genutzten Gebiet. 

Die BN-Regionalreferentin Annemarie Räder sprach von einem «Halli-Galli-Tourismus», der die empfindliche Bergwelt massiv störe. «Wir werden dazu ein Gutachten vorlegen, das zeigt, wie sehr die Birkhühner jetzt und mit den Ausbauplänen leiden.» Die Nachtfahrten fänden statt, obwohl eine Genehmigung fehle. Die Betreiber der Kampenwandbahn wiesen auch das zurück: Alle Fahrten entsprächen der Betriebserlaubnis.

Richter mit unterschiedlicher Auffassung 

Ende 2023 hatte das Verwaltungsgericht München eine Baugenehmigung für eine neue Bahn von 2022 aufgehoben. Der Bescheid des Landratsamtes Rosenheim sei unbestimmt und damit rechtswidrig. Die Richter monierten damals, es sei nicht eindeutig erkennbar, wo und in welchem Umfang Bäume gefällt werden sollten – möglicherweise auch im Naturwald.

Augenscheinlich hat der Verwaltungsgerichtshof aber Zweifel an dieser Auffassung. Im Bayerischen Waldgesetz geht es beim Naturwald um das Verbot insbesondere einer Bewirtschaftung – die hier nicht stattfinden soll. 

Die Betreiber wollen die Bahn nach eigenen Angaben maßvoll erneuern und modernisieren, so soll sie etwa barrierefrei werden. Die Trassenführung soll unverändert bleiben. 

Die Retro-Bahn aus dem Jahr 1957 bringt Besucher in Vierer-Gondeln von Aschau im Chiemgau zur Bergstation der Kampenwand, die mit ihren markanten Felszacken vor allem im Sommer zahlreiche Kletterer anlockt.

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