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Hamburg setzt Gebührenregelung für verspätete Nachtflüge aus

Hamburg (dpa/lno) – In Hamburg wird die Umweltbehörde ab sofort keine Gebühren oder Ordnungsgelder mehr gegen Airlines wegen verspäteter Nachtflüge am Flughafen nach 23.00 Uhr erheben. Für die aus Lärmschutzgründen eingeführte Regelung fehle laut einem Hinweisbeschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg die Rechtsgrundlage, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Mittwoch. Die vom Flughafen erhobenen Nachtzuschläge sind davon allerdings nicht betroffen.

Für den Lärmschutz sei der Gerichtsbeschluss ein herber Rückschlag, da ein Druckmittel gegen die Fluggesellschaften zur Einhaltung des Nachtflugverbots wegfalle, sagte Kerstan. Er erwartet nun eine Zunahme der verspäteten Nachtflüge. Für den BIG Dachverband der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. (BIG-Fluglärm Hamburg) ist die Entscheidung eine Katastrophe. «Der Fluglärmschutz in Hamburg verliert mit dem Verzicht auf die Nachtflugbeschränkung die einzig noch festgeschriebene Schutzregelung der Bevölkerung», sagte der BIG-Vorsitzende Martin Mosel. Mit der richterlichen Freigabe eines Flugbetriebs in Hamburg bis 24 Uhr «werden die Höllentore geöffnet».

Zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm gilt am Airport Hamburg zwischen 23.00 und 6.00 Uhr eine strenge Nachtflugbeschränkung. Allerdings dürfen verspätete Flugzeuge auch zwischen 23.00 und 24.00 Uhr starten und landen, wenn die Verspätung nachweislich unvermeidbar war. Passagierflüge nach 24.00 Uhr sind nur mit einer Einzelausnahmegenehmigung der Fluglärmschutzbeauftragten erlaubt. Davon nicht betroffen sind medizinische Hilfsflüge, Notfälle und Flüge hoheitlicher Stellen wie der Polizei.

Gericht weist auf fehlende Rechtsgrundlage für Gebühren hin

Für die Prüfung der Unvermeidbarkeit mussten Fluggesellschaften, deren Maschinen zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht starteten oder landeten, bislang 500 Euro zahlen. Waren die Flüge vermeidbar, drohte ein Bußgeld. Dagegen hatten die Fluggesellschaften Lufthansa und Condor vor dem Verwaltungsgericht geklagt. 

Kerstan zufolge hat das Gericht nun darauf hingewiesen, dass für die Verspätungsregelung, die den Betrieb schon vor Mitternacht einschränke, die Rechtsgrundlage fehle. Daraufhin habe sich die für Lärmschutz zuständige Umweltbehörde entschieden, die Gesellschaften klaglos zu stellen, und so eine sehr wahrscheinliche Verurteilung der Stadt abgewendet.

Nachtzuschläge bei Start- und Landeentgelt nicht von Entscheidung betroffen

Von dem Gerichtsbeschluss unberührt bleiben die Nachtzuschläge, die der Flughafen den Airlines in Rechnung stellt – und die deutlich höher ausfallen als die Gebühren für die Unvermeidbarkeitsprüfung bei Verspätungen. So werden nach Angaben des Airports je nach Uhrzeit und Tonnage des Fliegers bis zu 700 Prozent Nachtzuschlag auf das Start/Lande- und Lärmentgelt fällig. 

Als Beispiel: Zahlt ein Airbus A320 bei Start oder Landung zwischen 6.00 und 21.59 Uhr 388 Euro, sind es zwischen 22.00 und 22.59 Uhr 970 Euro und in der letzten Viertelstunde vor Mitternacht schon 2523 Euro. Noch teuer wird es dann mit 3105 Euro zwischen 0.00 Uhr und 5.59 Uhr.       

Der Gerichtsbeschluss dürfte für die Stadt auch noch finanzielle Folgen haben: Von 1,4 Millionen Euro, die insgesamt an Gebühren gegen 42 Fluggesellschaften festgesetzt wurden, sind zwar 1,2 Millionen Euro bereits gezahlt worden. Allerdings haben sieben Airlines bereits Widersprüche gegen Gebühren im Umfang von 337 500 Euro erhoben. Weitere könnten nun folgen. 

Verspätungen bei Nachtflügen schon wieder auf Vor-Corona-Niveau    

Nach einem Einbruch während der Coronapandemie hatte sich die Zahl der Nachtflugverspätungen zuletzt wieder deutlich erhöht. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Umweltbehörde 809 Verspätungen bei 120 000 Flugbewegungen insgesamt am Flughafen Hamburg. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es 678 Verspätungen bei 155 000 Flugbewegungen.  

Angesichts der Zahlen sei eine restriktive Lärmschutzregelung gerade für einen City-Flughafen wie Hamburg dringend nötig, sagte Kerstan. «Da uns der Weg über Gebühren nun verwehrt ist, müssen wir andere Wege gehen.» Sein Ziel sei es, Starts und Landungen schon ab 23.00 Uhr nur noch mit Ausnahmegenehmigungen zu erlauben – wie bislang ab Mitternacht. 

Kerstan mahnt Lösung an – notfalls in nächsten Koalitionsverhandlungen

«Die dafür nötige Grundlage kann aber nicht allein durch unsere Behörde geschaffen werden», sagte Kerstan und kündigte entsprechende Gespräche mit der für den Flughafen zuständigen Wirtschaftsbehörde von SPD-Senatorin Melanie Leonhard an. «Sollten diese keine zufriedenstellende Ergebnisse erbringen, kann ein konsequenter Fluglärmschutz nur das Ergebnis von erfolgreichen Koalitionsverhandlungen mit einem entsprechenden Wählervotum sein.» Anfang kommenden Jahres wird die Bürgerschaft in Hamburg neu gewählt.    

In der Wirtschaftsbehörde sieht man indes den Ball im Spielfeld der Umweltbehörde (BUKEA). Generell seien die Gebühren ein sinnvolles Instrument, um den Zeitraum zwischen 23.00 und 24.00 Uhr im Interesse des Lärmschutzes zu reglementieren, sagte der Sprecher. «Um es weiter nutzen zu können, muss die Gebührenerhebung auf einer tauglichen Rechtsgrundlage erfolgen. Das Gericht hat einen möglichen Lösungsweg benannt, den die BUKEA beschreiten kann.» Hierzu sei man bereits im Gespräch. «Da bereits ein Lösungsvorschlag vorliegt, gehen wir davon aus, dass die Anpassung kurzfristig erfolgen kann.»

Eine weitere Einschränkung der Betriebszeiten des Airports hält die Wirtschaftsbehörde dagegen für nicht angezeigt, da eine Neufassung der sogenannten Verspätungsregelung «das Problem der vom Verwaltungsgericht adressierten fehlenden Rechtsgrundlagen gar nicht löst», sagte der Sprecher.

Der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Stephan Jersch, forderte klare und gerichtsfeste Verspätungsregelungen. «Außerdem müssen die Regelungen, die ab 24 Uhr durchaus erfolgreich wirken, vorgezogen werden.» Allerdings räumte er ein, dass mit der SPD Nachverhandlungen kaum zu machen seien. «Eher quetscht sich ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass die SPD sich hier bewegt.»   

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