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Heißer Sommer – Gletscher «in bedauerlichem Zustand»

Garmisch-Partenkirchen (dpa) – Wieder heiß: Einmal mehr war der Sommer weltweit extrem. Einmal mehr schauen Wissenschaftler mit Sorge auf die dahinschmelzenden Gletscher. In den nächsten Jahren werden die vier letzten deutschen Gletscher nacheinander ihren Status als Gletscher verlieren, so die Prognose. In gut zehn Jahren dürfte Deutschland gletscherfrei sein.

Noch gibt es keine aktuellen Messungen des Eises. Gegen Ende September wollen Wissenschaftler mit Drohnen die Gletscher befliegen und Fläche und Volumen neu bestimmen. Zwar gab es im vergangenen Winter viel Schnee in der Höhe, der das Eis teils bis weit in den Sommer etwas schützte. Dem gegenüber stand aber insbesondere ein sehr heißer August. Schon jetzt ist klar: Das ehemals «ewige Eis» hat einmal mehr gelitten. 

Klimawandel zeigt sich in den Bergen deutlich

Der Nördliche Schneeferner an der Zugspitze etwa sei «in einem bedauerlichen Zustand», sagt der Glaziologe und Geograf der Hochschule München, Wilfried Hagg. «Die Oberfläche ist weiter stark eingesunken und ein Felsriegel in der Mitte ist stark angewachsen, er droht, den Gletscher in den nächsten Jahren von oben her in zwei Eisflecken zu zerteilen.»

Bis Ende des Jahrzehnts, so die Einschätzung der Forscher, wird der Nördliche Schneeferner kein Gletscher mehr sein. Früher wird es demnach den Watzmann- und den Blaueisgletscher bei Berchtesgaden treffen. Die Prognose hier sind noch zwei oder drei Jahre. Nur der Höllentalferner dürfte länger überleben – ungefähr bis 2035.

Vor zwei Jahren hatten Wissenschaftler dem Südlichen Schneeferner den Status als bis dahin fünftem deutschem Gletscher aberkannt. Unter anderem floss er nicht mehr – ein Kriterium für die Einordnung als Gletscher.

Der Klimawandel zeigt sich gerade in den Bergen deutlich; das Abschmelzen der Gletscher gilt als Indikator für die globale Erwärmung. Für Bergsteiger bedeutet das: Steinschlag nimmt zu, Randspalten zwischen Eis und Fels werden größer – so etwa am Höllentalferner als einer der beliebten Aufstiege zur Zugspitze.

Heißester August seit Messbeginn an der Zugspitze

An der 2962 Meter hohen Zugspitze verzeichneten die Wissenschaftler laut Hagg den zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901. Nur 2003 sei es 0,2 Grad wärmer gewesen. «Es war mit Abstand der heißeste August seit Messbeginn an der Zugspitze und der erste Monat, an dem es auf dem höchsten Berg Deutschlands keine negativen Temperaturen gab. Das heißt, der Nördliche Schneeferner schmolz einen Monat lang komplett durch, Tag und Nacht», sagt Hagg. 

«Der Nördliche Schneeferner hat auch in diesem Sommer enorm an Volumen eingebüßt», sagt auch Laura Schmidt, Sprecherin der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, die aus dem Fenster direkt auf die Gletscherreste blickt. Es gehe ein Landschaftsbild verloren. «Vor allem ist uns aufgefallen, dass sich der obere Bereich an den Liftstützen löst und inzwischen viel Fels zum Vorschein kommt. Die dunkle Fläche aus Gestein und Schutt trägt weiter zum Schmelzen durch Absorption bei.»

Auswirkung auf Skibetrieb 

Das Abschmelzen könnte Auswirkungen auf den Skibetrieb am Zugspitzplatt haben. Für den Platt-Schlepplift gebe es Überlegungen, ob er überhaupt noch in Betrieb genommen werden sollte, sagt die Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn, Verena Tanzer. «Es wird noch vor der Saison intensive Gespräche dazu geben. Wir schauen uns das ganz genau an.» Etwa der Ausstieg am Lift sei inzwischen extrem steil. Der Hang war oben früher eine leichte blaue Piste, nun ist er schwarz, also: schwer. Etwas für Könner.

Schon 2018 waren Höllentalferner und Nördlicher Schneeferner als größte deutsche Gletscher mit 16,7 und 16,1 Hektar nur noch knapp halb so groß wie das Oktoberfestgelände. Der Nördliche Schneeferner schrumpfte seitdem laut den bisher letzten Messungen durch Forscher der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) und der Hochschule München auf etwa 13 Hektar. An der dicksten Stelle hatte er noch etwa 20 Meter. 

Gletscher werden dünner

Er verlor binnen fünf Jahren rund sieben Meter im Mittel an Dicke, der höchste Wert der Beobachtungsreihe seit 1892, wie der Hagg berichtet. «2030 könnte er so klein und so dünn sein, dass es keine Eisbewegung mehr gibt.» Und er damit nicht mehr als Gletscher gilt.

Der Watzmanngletscher hielt sich relativ gut, er hatte zuletzt noch 4,7 Hektar, nach 4,8 Hektar im Jahr 2018. Er ist zu fast 50 Prozent von Schutt bedeckt, der ihn vor der Sonneneinstrahlung schützt. Der Blaueisgletscher hingegen, obwohl eher schattig gelegen, schrumpfte von 5,2 Hektar auf 4,2 Hektar.

Der Höllentalferner liegt in einer Mulde und wird im oberen Teil durch Lawinen gespeist. Er ist laut Hagg der einzige deutsche Gletscher, der wenigstens oben noch Zuwachs verzeichnet, auch wenn das die Verluste nicht ausgleicht.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass er am längsten bestehen wird – vielleicht bis 2035. So lautet die vorsichtige Prognose des Glaziologen Christoph Mayer von der BAdW, der mit Hagg für die Staatsregierung die bisherigen Gletscherberichte erstellte. Übrig bleiben wird eine Weile noch Toteis. «Es ist absehbar – so langsam geht es dem Ende zu», sagte Mayer kürzlich.

Sonne und Temperatur wesentliche Faktoren

Haupttreiber der Schmelze sind Sonne und Temperatur, auch warmer Regen und Luftfeuchtigkeit spielen eine Rolle. In Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz steht es ebenfalls nicht gut um die Gletscher. Auch dort wird laut Hagg erst Ende September Bilanz gezogen. Mitte August habe es auch hier Rekordwerte bei den Schmelzraten gegeben.

Weitreichende Konsequenzen etwa für den Wasserhaushalt hat der Verlust der deutschen Gletscher nicht, sie sind zu klein. Anders bei den großen Gletschern in den anderen Alpenländern. Dort drohen Folgen für die Wasserversorgung, sagt Hagg. Bisher speiste Schmelzwasser aus dem Eis die Flüsse, wenn es heiß und trocken war und Regen fehlte. «Mit dem Eis haben sie einen zweiten „Wasserhahn“, die Gletscher wirken regulierend.» Die Schwankung der Wassermenge in den Flüssen nähme zu, wenn Pegelstände nur vom Regen abhängen. Die Folgen werden auch die Deutschland zu spüren sein, am Rhein etwa, oder am Inn bis hin zur Donau.

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