Ennepetal (dpa/lnw) – Stundenlang krabbelt er durch Schlamm, watet durch eiskaltes Wasser, quetscht sich durch enge Höhlengänge – über ihm bis zu 80 Meter Stein und Erde. Platzangst darf Stefan Voigt hier unten in der Kluterthöhle nicht haben.
Seit Jahrzehnten ist der ehrenamtliche Höhlenforscher mit seinen Begleitern tief unter Ennepetal westlich von Wuppertal unterwegs. Immer schon wollte er den Beweis dafür finden, dass die Kluterthöhle die größte Höhle Nordrhein-Westfalens ist. Vor gut einer Woche war er am Ziel.
Erfolg nach 150 Jahren Suche
Der Durchgang war eng, große Steine und eimerweise matschigen Schutt mussten die Höhlenforscher beiseiteschaffen. Doch schließlich war klar: Dies ist die Verbindung zwischen zwei großen Höhlensystemen, nach der Forscher seit 150 Jahren gesucht haben. Der Beweis dafür, dass Kluterthöhle und Bismarckhöhle in Ennepetal zusammenhängen und das bislang größte bekannte Höhlensystem in NRW bilden.
Geahnt haben Höhlenforscher das seit den 1880er Jahren. Es wurden Versuche mit Farbe gemacht – und tatsächlich kam Farbe, die man in einer Höhle in das Wasser schüttete, in der anderen Höhle heraus. «Seitdem hat praktisch jeder Höhlenforscher der Region versucht, die Verbindung zwischen den beiden Ganglabyrinthen zu finden», sagt Voigt. Aber gefunden wurde die Verbindung in all den Jahren nie.
Kein Ende in Sicht
Bis jetzt. Seit dem 12. Juli gilt die Kluterthöhle mit 8805 Metern als die größte Höhle des Landes – und schubst damit das Windloch bei Engelskirchen, das Voigt und sein Team erst 2019 entdeckten, schon wieder vom Spitzenplatz. Vorerst. Denn in beiden Höhlen wird weiter geforscht und ständig werden neue Gänge entdeckt.
Der Geologische Dienst NRW verfolgt die Bemühungen von Voigts ehrenamtlichem Arbeitskreis Kluterthöhle e.V. gespannt. Unabhängig nachmessen kann die Behörde nicht – sie ist auf Voigts Angaben aus der Tiefe angewiesen. «Aber wir wissen, da ist noch Potenzial. Es gibt noch viel Unentdecktes», sagt Fachbereichsleiter Stefan Henscheid.
Dabei geht es den Forschenden in erster Linie gar nicht darum, welche Höhle die größte ist. Jeder neue Gang eröffne einen Blick in ein 385 Millionen Jahre altes Ökosystem, sagt Voigt. «Das ist ein Mehrwert, der gar nicht vorstellbar ist.»
Ein Tropfstein als Andenken
Denn viele der bislang bekannten Gänge der Kluterthöhle waren von Menschen restlos zerstört worden. Schon kurz nach der Entdeckung der Höhle 1881 war der vordere Teil ein beliebtes Ausflugsziel geworden. Besucher durften nach Lust und Laune dort herumlaufen, brachen Tropfsteine heraus und nahmen sie mit nach Hause. 1920 waren die Schätze der Höhle endgültig zerstört.
Das soll sich in den noch unberührten Bereichen auf keinen Fall wiederholen. Für Touristen werden die nun entdeckten Gänge deshalb nicht zugänglich gemacht, sagt Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann (parteilos). «Wir Menschen gucken eben nicht nur mit den Augen, sondern manchmal auch ganz schön mit den Händen.»
Besucher sollen multimedial zu Höhlenforschern werden
Etwa 1,5 Kilometer Gänge der Kluterthöhle sind für Besucher zugänglich – es gibt Besichtigungen von einfach bis abenteuerreich. 34.000 Menschen kamen im vergangenen Jahr. Demnächst soll im Besucherzentrum ein Multimedia-Angebot entstehen, damit Besucher immerhin einen Eindruck von den verborgenen Gängen im hinteren Bereich bekommen.
Voigt und seine Mitstreiter werden dort auch in den nächsten Tagen und Wochen wieder unterwegs sein und neue Gänge erforschen. «Wir erfahren immer mehr über die Höhle. Aber auch das, was wir jetzt wissen, ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt», betont er.
Hoffen auf die nächste Tropfsteinhalle
Nach Feierabend und am Wochenende wollen die Höhlenforscher weiterhin fast jede freie Minute unter dem Klutertberg verbringen. «Vielleicht entdecken wir am Samstag schon das nächste große Ding», sagt Voigt. «Hinter jeder schlammigen Engstelle kann sich eine wunderschöne Tropfsteinhalle verbergen. Das ist es, was Höhlenforschung so spannend macht.»