Greifswald (dpa/mv) – Die Umweltorganisation ClientEarth will die Lage in den europäischen Schutzgebieten Mecklenburg-Vorpommerns verbessern und zieht dafür vor das Oberverwaltungsgericht in Greifswald. Ziel der eingereichten Klage sei eine gesetzliche Regelung, um die Verträglichkeit landwirtschaftlicher Projekte in den Natura 2000-Gebieten zu prüfen, teilte ClientEarth mit. Derartige Verträglichkeitsprüfungen fänden bisher in MV nicht statt.
Das würde Agrarminister Till Backhaus (SPD) gerne auch weiter vermeiden. Er bedaure die Klage, erklärte er und betonte, dem Land sei weiterhin sehr an einem konstruktiven Interessenaustausch und –ausgleich gelegen. «Ziel muss es sein, der Landwirtschaft in Natura-2000-Gebieten zu einer schutzzielkonformen Wirtschaftsweise zu verhelfen, sodass Verträglichkeitsprüfungen entbehrlich werden.» Dies erfordere finanzielle Anreize, die Landwirte zu einer schutzgebietsverträglichen, aber ertragsmindernden Wirtschaftsweise bewegen.
Minister Backhaus befürchtet Bürokratie
In seinem Haus seien konkrete Maßnahmen entwickelt worden, um die Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Schutz- und Nutzinteressen zu schaffen, so Backhaus weiter. «Gern hätten wir diese mit den Umweltverbänden weiter ausgearbeitet.» Er warnte: Sollte die Klage erfolgreich sein, entstünde zunächst für die Landwirtschaft und die Behörden ein hoher bürokratischer Aufwand.
«Mecklenburg-Vorpommern hat eine landesweite Regelung zur Ausweisung von und den Umgang mit Schutzgebieten. Allerdings fehlt darin eine Regelung zur Anwendung von Verträglichkeitsprüfungen bei landwirtschaftlicher Tätigkeit, sodass diese in der Praxis nicht durchgeführt werden», hieß es. «Es besteht folglich ein Vollzugsdefizit, auf dessen Behebung die Klage hinwirkt.»
Klage beim OVG eingegangen
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte am Montag den Eingag der Klage vom Sonntag mit dem Aktenzeichen 1K 433/24. Die Umweltschutzorganisationen BUND und Nabu in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen sie nach eigenen Angaben.
Nabu MV-Geschäftsführerin Rica Münchberger bezeichnete den Zustand vieler Schutzgebiete in MV als katastrophal. Es reiche nicht, solche Gebiete einfach nur auf dem Papier zu melden. «Ohne substanzielle Maßnahmen gibt es keinen wirksamen und zielführenden Schutz.» Corinna Cwielag vom BUND sagte, es gebe immer weniger Amphibien, Feldlerchen und Kiebitze in den Schutzgebieten. Wenn Glyphosat auf den Feldern ausgebracht werde, müsse man sich darüber nicht wundern.
Drittel der Landesfläche unter europäischem Schutz
Europäische Schutzgebiete nehmen in Mecklenburg-Vorpommern gut ein Drittel (34,5 Prozent) der Landesfläche ein, wie aus dem 2019 veröffentlichten Natura 2000-Landesbericht des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie hervorgeht. Sie sollen dazu dienen, die Artenvielfalt zu bewahren, indem sie die Lebensräume von Tieren und Pflanzen besonders schützen. Rund 313.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche liegen laut Agrarministerium in Natura 2000-Gebieten.
Jennifer Seyderhelm von ClientEarth betonte, es sei möglich, gleichzeitig Artenvielfalt zu schützen und eine ertragreiche Landwirtschaft zu gewährleisten. «Das ist miteinander vereinbar und sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Aber dafür brauchen wir politischen Willen und politische Lösungen», erklärte sie.