Stralsund (dpa/mv) – Seinen Wutausbruch hatte ein heute 42-Jähriger schon am selben Tag bereut. Auch knapp ein Jahr später zeigte sich der Lkw-Fahrer, der im Juli 2023 unter anderem einen Klimaaktivisten angefahren hatte, vor dem Landgericht Stralsund im Berufungsverfahren reumütig. Am Strafmaß änderte das nichts. Der Mann, der als Disponent arbeitete und an diesem Tag als Fahrer ausgeholfen hatte, war bereits im November vom Amtsgericht Stralsund zu einer Strafe von 60 Tagessätzen in Höhe von 30 Euro und einem viermonatigen Fahrverbot wegen versuchter Nötigung verurteilt worden. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten Rechtsmittel eingelegt.
Das Landgericht bestätigte am Donnerstag das Strafmaß, sah jedoch den Tatbestand der versuchten Nötigung in zwei Fällen gegeben. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig.
Entscheidend für den Prozess war ein Video, das die Tat zeigte und im Internet für Aufsehen gesorgt hatte. Dreimal wurde das Video im Gerichtssaal abgespielt, dreimal starrte der Angeklagte dabei nach unten auf den Tisch.
Das Video zeigt, wie der Lkw-Fahrer zunächst erfolglos versucht, eine Aktivistin von der Straße zu zerren. Einen weiteren Aktivisten schleift er an den Straßenrand. Die Aktivistin auf der Straßenmitte schubst er um, bedroht sie mit einer Faust und steigt zurück in sein Fahrzeug. Der Angeklagte räumte während der Vernehmung ein, hier überreagiert zu haben. Die heute 22 Jahre alte Aktivistin, die als Zeugin vor dem Landgericht ausgesagt hatte, akzeptierte die Entschuldigung des Fahrers.
Zurück zur Tat im Juli 2023: Der Fahrer steigt wieder in den Lastwagen und schiebt mit dem Lkw den nun wieder am rechten Fahrbahnrand sitzenden Aktivisten mehr als einen Meter nach vorn mit. Auf Rufe der Passanten bremst der Fahrer ab, steigt aus seinem Fahrzeug aus, schleift den Aktivisten erneut von der Straße und fährt anschließend davon. Am selben Tag hatte sich der Mann bei der Polizei gemeldet, «weil ich mir bewusst war, dass ich da falsch gehandelt habe».
Der Angeklagte hatte bereits in erster Instanz betont, den Aktivisten übersehen zu haben. «Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass er sich noch mal vor den Lkw setzt», beteuerte der 42-Jährige am Donnerstag. Das Unfallopfer hatte sich nicht verletzt. Dass der Fahrer den Aktivisten womöglich doch gesehen hatte, konnte ein Sachverständiger nicht nachweisen.
Bei der Anfahrt hatte er nur 0,3 Sekunden in Richtung des Frontspiegels geschaut. Bei den lautstarken Reaktionen der umstehenden Personen schaute er hingegen eine Sekunde Richtung Frontspiegel. Das Gericht vermutete, dass der Fahrer vermutlich erst dort realisierte, was geschehen war. Zudem hatte der Fahrer bei der Anfahrt klar erkennbar auf die Aktivistin in der Straßenmitte geachtet. Dass der 42-Jährige lediglich die Gesundheit der Frau, nicht aber des Mannes schützen wollte, bewertete das Gericht als unlogisch.
Der Fahrer war im Internet scharf kritisiert worden, erhielt teils aber auch Unterstützung. Im Rahmen einer Spendenaktion seien mindestens 50.000 Euro für den Angeklagten zusammengekommen, schlussfolgerte die Staatsanwaltschaft durch mehrere Artikel. Von diesem Geld lebte der seit mehreren Monaten Arbeitslose einige Zeit, nun seien die Mittel für den Lebensunterhalt jedoch aufgebraucht. Das, was noch da ist, sei für Anwalt und Gerichtskosten hinterlegt, erklärte der Verteidiger.