Stuttgart (dpa) – Im Stuttgarter Buchhaus Wittwer-Thalia liegt ein Salatkopf im Regal. Der ist freilich nicht echt, aber er passt zum Thema: Um Nachhaltigkeit geht es in den Büchern drumherum, um den Klimawandel und seine Folgen, um umweltbewusstes Denken und Handeln.
Seit drei Jahren lässt Geschäftsführer Rainer Bartle ein ganzes Regal mit Büchern zu dem Spektrum bestücken. «Früher war das verstreut im Sachbuchbereich», sagt er. Inzwischen ist das Thema so angesagt, dass die Fachliteratur gebündelt präsentiert wird. «Das zeigt den Zeitgeist», ist Bartle überzeugt. «Das ist kein Nischenthema mehr. Auch nicht nur was für Nerds.» Das Publikum sei breitgefächert: «17-Jährige, die ‚Letzte Generation‘, oder auch 75-jährige Rentner.»
Zwischen Dystopie und Ratgebern
Zahlreiche Verlage wie Penguin, Droemer Knaur, S.Hirzel und C.H.Beck bringen quasi am laufenden Band Bücher auf den Markt, in denen Expertinnen und Experten auch für Laien verständlich Aspekte wie Erderhitzung, Insektensterben oder CO2-Fußabdruck erklären. Manche Titel klingen dystopisch («Der Planet ist geplündert»), andere nahezu poetisch («Das Verschwinden der Nacht»). Häufiger liest man mittlerweile außerdem Ratgeber-Überschriften wie «Erde – was tun?».
«Grundsätzlich sind niemals zuvor mehr Bücher zum Thema Klimawandel erschienen», sagt Martin Kugler aus der Jury zum «Wissenschaftsbuch des Jahres», das unter Federführung des Wissenschaftsministeriums in Österreich prämiert wird. «Und das sehe ich positiv, um die Bedeutung des Themas und einschlägiges Wissen in die Breite zu tragen.»
Er hat in jüngster Zeit zwei Trends ausgemacht: «Zum einen gibt es immer mehr ‚Dutzendware‘: In diesen Büchern werden längst bekannte Tatsachen endlos wiedergekäut und allenfalls aktualisiert.» Teilweise seien diese Bücher alarmistisch, manche Autoren und Autorinnen verfolgten offenbar auch eine politische Agenda. «Zum anderen erscheinen nun auch vermehrt Bücher, in denen das Klimageschehen in größere Zusammenhänge eingebettet wird – insbesondere in historische, aber auch gesellschaftliche Zusammenhänge.
Tausende Neuerscheinungen
Voll auf Wissenschaft – eher für ein Fachpublikum – setzt zum Beispiel der Verlag Springer Nature. Pro Jahr würden etwa 13.000 neue Bücher veröffentlicht, davon rund ein Drittel in deutscher Sprache, erklärt eine Sprecherin. Etwa 25 Prozent davon hätten einen Bezug zu den UN-Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDG). «Es ist geplant, den Anteil bis 2025 auf 30 Prozent zu steigern.» Weil Nachhaltigkeit und vor allem der Klimawandel viele Fachbereiche betreffen, startete im Sommer sogar eine interdisziplinäre Reihe mit dem Titel «SDG – Forschung, Konzepte, Lösungsansätze zur Nachhaltigkeit».
Darüber hinaus veröffentlicht Springer Nature populärwissenschaftliche Sachbücher. So verfolge der Verlag gemeinsam mit den Fachautoren und -autorinnen das Ziel, wissenschaftliche Themen für das interessierte Lesepublikum aufzubereiten.
Die Förderung der SDG sei ein wesentlicher Bestandteil der Geschäftsstrategie, erläutert die Sprecherin. «Den größten Beitrag dazu können wir durch die von uns veröffentlichten Inhalte leisten.» Zunehmend würden Beiträge im sogenannten Open-Access-Verfahren veröffentlicht. Das trage dazu bei, dass schneller und einfacher auf die Veröffentlichungen zugegriffen werden kann.
Im Buchhaus Wittwer-Thalia hat Geschäftsführer Bartle festgestellt, dass sich das Publikum, das sich für Klimawandel interessiert, auch für Themen «drumherum» erwärme. Da geht es dann etwa um ökologische Lebensmittel oder nachhaltige Lebensweise. «Eine andere Strömung ist, dass es stärker ins Detail geht.» Wassernotstand zum Beispiel.
Bekannte Namen
Wer sich schon etwas auskennt, suche nach bestimmten Autoren oder Themen, hat Bartle beobachtet. «Aber wer sich frisch mit dem Thema befasst, greift eher bei bekannten Namen zu.» So stehen Bücher vom Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, von TV-Moderator Dirk Steffens und Meteorologe Sven Plöger im Regal.
«Wir stellen fest, dass die Bücher vor allem über bekannte Autorinnen und Autoren ‚funktionieren’», bestätigt eine Thalia-Sprecherin. An Diskussionen und Lesungen hätten dieses Jahr zum Beispiel Schriftsteller Frank Schätzing, der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen sowie Klimaforscher Modjib Latif teilgenommen.
Eine große Rolle spielten zudem die Werbung und Pressearbeit der Verlage zu einer Neuerscheinung. Doch auch wenn Bücher zum Thema Nachhaltigkeit ihr Publikum finden, spielten diese Titel etwa im Vergleich zu Belletristik-Novitäten nur eine untergeordnete Rolle.