Neuharlingersiel (dpa) – Niedersachsens Küstenfischer haben das Streichen von Strukturhilfen durch die Bundesregierung erneut kritisiert und zugleich mehr Planungssicherheit eingefordert. Im Zuge der Haushaltspolitik der Ampel-Regierung waren zuletzt Gelder aus den Versteigerungserlösen für Flächen für die Offshore-Windkraft, die ursprünglich in die Fischerei fließen sollten, um 80 Prozent auf rund 130 Millionen Euro gekürzt worden. «Über eine halbe Milliarde waren sofort weg, ohne mit uns zu reden», sagte der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, am Freitag beim Fischereitag im ostfriesischen Neuharlingersiel (Landkreis Wittmund).
Sander sagte, bei den Fischern stoße es auf großes Unverständnis, dass die Bundesregierung etwa die Transformation der Industrie, wie Stahlwerke, mit Millionenbeträgen fördere, gleichzeitig aber kaum Geld in der Fischerei ankomme.
Fischereivertreter machten zudem deutlich, dass die Branche grundsätzlich mehr Planungssicherheit brauche. Sonst seien absehbar keine Investitionen möglich, sagte Gerold Conradi, zweiter Vorsitzender des Landesfischereiverbandes und verwies auf den 2022 von der EU-Kommission angekündigter Aktionsplan für nachhaltigere Fischerei. Der Plan sieht vor, dass die Fischerei mit Grundschleppnetzen – also Netzen, die den Meeresgrund berühren – in Schutzgebieten spätestens 2030 unzulässig wird. Aus Sicht der Krabbenfischer kommt dies einem Berufsverbot gleich. Der Plan schwebe noch immer «wie ein Damoklesschwert» über den Fischern. «Diese Sache muss vom Tisch und nicht erst 2029. Das muss jetzt passieren, sonst haben wir keine Planungssicherheit», sagte Conradi.
Weniger Fisch und Krabben 2023 gefangen
Die wirtschaftliche Lage der Küstenfischer – 63 Betriebe gehören zum Verband – hatte sich 2023 nicht gebessert, wie neue Zahlen der Landwirtschaftskammer zeigen. Mit 1881 Tonnen Nordseekrabben landeten die Betriebe rund 30 Prozent weniger Fang als 2022 an. Damit sei 2023 erneut ein unterdurchschnittliches Jahr für die Krabbenfischerei gewesen, sagte der Fischereiexperte der Landwirtschaftskammer, Philipp Oberdörffer. Der Durchschnittspreis für ein Kilogramm Krabben zog zwar um 11 Prozent auf 6,70 Euro an. «Der Rückgang bei der Menge ist nicht kompensiert worden durch ein Mehr an Preis.»
Bei der Anlandung von Frischfisch wie Scholle und Steinbutt waren es mit 1114 Tonnen genau 100 Tonnen weniger als im Jahr zuvor (minus 8 Prozent). Nur die vier Muschelfischer konnten etwas mehr einholen. Der Jahresumsatz mit Krabben und Fisch belief sich 2023 auf rund 17,2 Millionen Euro. Damit lag dieser laut dem Fischereiverband rund 22 Prozent unter dem von 2022.
Die geringeren Fangmengen führen die Fischer zum Teil auf kleinere Bestände, wie etwa bei Krabben zurück, zum anderen Teil kritisieren die Betriebe Einschränkungen – etwa durch die Verklappung von Sedimenten und den Ausbau der Windkraft auf See. Bis 2018 habe es in den Sparten immer gute und schlechte Jahre gegeben, sagte Oberdörffer. «Was wir aber seit 2019 sehen, ist, dass der Trend immer weiter nach unten geht.» Dies betreffe alle Sparten.
Deutlich werde dies auch am Rückgang an Kuttern. Allein an der niedersächsischen Küste wurden es im vergangenen Jahr zehn weniger. «Da kommt etwas ins Rutschen», warnte Oberdörffer. «Es gilt jetzt, wenn wir über Zukunft reden, das Rutschen aufzuhalten und zu kontrollieren.» Die Fischerei müsse so groß bleiben, dass sie als eigener Wirtschaftszweig weiter existieren könne, denn das sei nötig, um auch die Infrastruktur an Land zu erhalten.
Zukunftspakt für Küstenfischer 2050 gefordert
Aus Sorge vor einem Verlust der Küstenfischerei legte deshalb schon Ende Januar ein Bündnis von Kommunen, der Tourismusbranche und der Industrie- und Handelskammer Vorschläge zum Erhalt der Küstenfischerei vor. «Ich befürchte einen Verlust der deutschen Küstenfischerei in 10 bis 15 Jahren», sagte Jürgen Peters, Bürgermeister von Neuharlingersiel am Freitag. Die Fischerei sei aber wichtig für die Küstendörfer, den Tourismus und die norddeutsche Identität insgesamt. Peters forderte die Politik auf, die Belange der Fischer und der Küstenregionen stärker zu berücksichtigen.
Prototyp für «Kutter der Zukunft» soll gebaut werden
Für etwas Zuversicht sorgte bei den Fischern, dass die Entwicklung eines «Kutters der Zukunft» vorankommt. «Wir wollen das Ding jetzt bauen», sagte der Leiter des Projektteams von der Hochschule Emden/Leer, Jann Strybny. Die technische Detailplanung sei fertig, nun gehe es darum, einen Prototyp des rund 20 Meter langen Kutters zu bauen. Ein solcher «Kutter der Zukunft» wird in der Branche mit Spannung erwartet, da die bestehende Kutterflotte stark veraltet ist. Das neue Modell soll mit einem umweltfreundlichen Methanol-Antrieb in Serie gehen und für die Besatzungen mehr Komfort und Sicherheit bieten – allein Fördergelder für den Bau des Prototyps fehlten noch, sagte Strybny.