Frankfurt (dpa/lhe) – Im Juli hat es in Hessen viel geregnet, in der ersten Augusthälfte sind die hohen Temperaturen und die Trockenheit zurückgekehrt. Das wirkt sich auch auf die hessische Pilzlandschaft aus, die nach dem Regen zunächst ein Comeback einlegte, wie Pilzexperten erklärten. Derzeit droht die Situation zu kippen, da es vor allem in tieferen Lagen bereits sehr trocken ist.
Was macht das Wetter mit den Pilzen?
Typischerweise wachsen im Sommer Sommerpilze. Dazu zählt Gerhard Schuster, Pilzexperte und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. (DGfM), unter anderem Täublinge, Semmel-Stoppelpilze und Sommersteinpilze. Pfifferlinge und erste Steinpilze lassen sich ab Mai und Juni finden. Im Allgemeinen wachsen Pilze ganzjährig, wie Thomas Lehr, DGfM-Pilzsachverständiger, erklärte.
Für Pilze werden höhere Temperaturen erst ab 25 Grad problematisch, dann stellen sie ihr Wachstum ein. Bis diese Temperaturen am Waldboden ankommen, dauert es allerdings eine Weile, wie Schuster sagte. Zu geringe Niederschläge können laut Lehr unter Umständen zum Problem werden. Wenn es zu früh regnet, kann das die Pilze beim Wachsen stören, da die meisten erst ab Mitte Juli gut wachsen. Schuster zufolge gibt es auch Pilze, die unmittelbar auf Niederschlag reagieren und zu wachsen beginnen. Bei anderen Pilzen kann das mehrere Wochen dauern.
Sonne und hohe Temperaturen gefährden Pilzwachstum im Rhein-Main-Gebiet
Für das Rhein-Main-Gebiet kam der Regen zur rechten Zeit, wie Thomas Lehr, DGfM-Pilzsachverständiger aus Hofheim am Taunus (Main-Taunus-Kreis), sagte. Ihm zufolge konnten vor allem sonst seltene Röhrlingsarten gefunden werden. Auch für Speisepilzsammler hatte das Pilzwachstum in den ersten Augustwochen Folgen. Neben den Giftpilzen, die im Rhein-Main-Gebiet ohnehin vertreten sind, gab es auch Arten, die dort sonst kaum zu sehen sind. Es wuchsen auch Arten, wie der Bronze-Röhrling, die von der Bundesartenschutzverordnung streng geschützt sind und nicht gesammelt werden dürfen.
Allerdings sorgten die hohen Temperaturen und die Trockenheit Mitte August dafür, dass rund um Rhein und Main kaum frischen Pilze wuchsen. Falls doch welche wuchsen, trockneten sie schnell aus. Nur in höheren Lagen seien an feuchten Stellen noch Pilze gewachsen. Thomas Lehr zufolge sind niedrigere Temperaturen und regelmäßiger Regen dringend notwendig, sonst wird es kaum noch frisches Pilzwachstum in der Rhein-Main-Region geben.
Wo der Boden feucht ist, wachsen in Südhessen Pilze
Nach dem Regen sind die Pilze im Vergleich zur Trockenheit davor aus Sicht von Harald Sattler, Mykologe und DGfM-Pilzsachverständiger aus Rodgau (Kreis Offenbach), in Südhessen besser gewachsen. Vier bis fünf Monate lang gab es nur geringe Niederschläge und damit verbunden auch ein geringeres Pilzvorkommen. Außerdem schädigte die Trockenperiode die Pilze, weil ihnen Nährstoffe und Wasser fehlten. Die Pilze unterbrachen deshalb ihr Wachstum und konnten sogar Schäden in den Myzelien, also im eigentlichen Pilzgeflecht, davontragen.
Sattler nach sorgt der typische mitteleuropäisch verregnete Sommer mit viel Bodenfeuchte für einen regelhaften Nachschub an nachwachsenden Pilzen. Wo es eine gute Grundbodenfeuchte gibt, wie in schattigeren Tallagen, gebe es mehr Pilze. Allerdings seien keine größeren Massen an Pilzen zu finden gewesen, sagte Sattler.
Nordhessen darf sich über viele Pilze freuen
Laut DGfM-Sprecher und Pilzsachverständiger Gerhard Schuster, der im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf (Werra-Meißner-Kreis) lebt, finden sich besonders an den nordhessischen Nordhängen viele Pilze, weil dort wenig Sonnenlicht ankommt. Dort sei der Boden noch feucht und matschig. In Nordhessen herrsche derzeit kein Pilzmangel, sogar die ersten Herbstpilze, wie der Fichtensteinpilz oder die Herbsttrompeten, seien schon zu entdecken.
Grundsätzlich sei die Pilzsaison jedes Jahr ein wenig anders, denn Pilze «lesen einfach keine Pilzbücher» und machten «halt manchmal, was sie wollen», wie Schuster scherzte. Das Pilzwachstum sei stark vom Wetter abhängig und habe auch mit der Aktivität der Bäume und unter anderem deren Mineralienbedarf zu tun.
Die Pfifferlinge hatten ihren Peak im Juli und waren in diesem Jahr in Nordhessen «auch wieder absolut super». Im Vergleich zu Nordhessen sei die Pilzsituation derzeit in Niedersachsen nicht so optimal. In der Eifel und im Westerwald laufe es ebenfalls gut.
Achtung bei Speisepilzen, wenn es draußen heiß ist
Für Speisepilze erklärt Thomas Lehr, dass sich die Eiweiße wie beim Fisch zügig zersetzen. Das geschehe schon während des Wachsens und bei hohen Temperaturen schneller. Deshalb müsse im Sommer noch mehr als im Herbst beim Sammeln der Speisepilze darauf geachtet werden, ob die Pilze frisch aussehen, sich fest anfühlen und unauffällig riechen.
Auch das Überprüfen auf Schimmel- oder Madenbefall sei wichtig. Befall könne die Pilze schnell verderben lassen, sagte Gerhard Schuster. Wenn Pilze im Wald austrockneten, seien sie nicht mehr für Speisepilzsammler zu verwerten. «Dann verderben die Eiweiße, zersetzen sich und damit wird der Pilz lebensmittelgiftig», erklärte Harald Sattler.
Wer nun selbst Pilze noch im August sammeln gehen möchte, dem empfiehlt Gerhard Schuster einfach zu identifizierende Pilze. Die haben häufig keine giftigen Doppelgänger. Für Anfänger eigneten sich insbesondere Semmelpilze, Pfifferlinge und Sommersteinpilze. Gesammelt werden darf in Hessen ein Kilo pro Sammler.