Lüneburg (dpa/lni) – Der Lüneburger Wissenschaftler Klaus Kümmerer will Lösungen für das Recycling von komplexen Kunststoffteilen aus der Automobilwirtschaft finden. «Es ist so schwierig, weil wir häufig in einem Produkt Mischungen von mehreren Plastiksorten und dazu noch Zusatzstoffe haben», erklärte der Chemiker von der Leuphana Universität Lüneburg der Deutschen Presse-Agentur. In einem solchen Teil fänden sich mehrere Polymere – das sind chemische Verbindungen – und verschiedene Zusatzstoffe, die beim Recyceln getrennt werden müssten. Neben vielen Polymeren würden circa 10.000 verschiedene Zusatzstoffe verwendet, die etwa Plastik färbten, stabiler machten oder ein elektrisches Aufladen verhinderten.
Kümmerer hat sich der Aufgabe verschrieben, die Umwelt von chemischen und pharmazeutischen Stoffen zu entlasten. Er will Alternativen finden, die stabil genug für die Anwendung sind und am Ende ihres Lebens recycelt oder von der Umwelt schnell und vollständig abgebaut werden können. Für sein Wirken wurde er im Januar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. «Bei jedem seiner Forschungsprojekte behält er stets den praktischen Nutzen für das Gemeinwohl und die Umwelt im Blick», sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Hans-Josef Endres von der Leibniz Universität Hannover will Kümmerer ein Kreislaufwirtschaftsmodell für kunststoffbasierte Autoteile entwickeln. Die Volkswagenstiftung fördert das auf vier Jahre angelegte Vorhaben mit rund 1,3 Millionen Euro. Im Fokus stehen dabei komplexe Bauteile, für die es derzeit keine Recyclinglösung gibt. Dazu zählen etwa Unterboden, Motorraumkomponenten, Innenraumteile wie die Mittelarmlehnen und geschreddertes Material aus Abfallströmen. Gleichzeitig sucht das Team nach Ansätzen für ein künftiges «Design for Recycling», das bereits bei der Herstellung von Produkten die Wiederverwertungsmöglichkeit berücksichtigt.
Ausgezeichnet wurde Kümmerer auch mit dem Wöhler-Preis für Nachhaltige Chemie. Zu seiner Forschung gehören zwei Patente für Antibiotika, die in der Umwelt leichter abgebaut werden können als bisherige Wirkstoffe. Herkömmliche Antibiotika hinterließen Rückstände, die in Kläranlagen nie ganz neutralisiert werden könnten, sagt der Forscher.
Eine Kooperation mit der Industrie, um das in der Umwelt abbaubare Molekül, das gleichzeitig im Menschen stabil genug für die Infektionsheilung ist, zu produzieren, habe sich allerdings zerschlagen, sagt er. Den 64-Jährigen treibt das Thema um, denn die Auswirkungen des belasteten Grundwassers seien bisher nicht geklärt. Zudem werde 80 Prozent des Abwassers weltweit nicht gereinigt und Antibiotika-Resistenzen kämen auch aus anderen Ländern zu uns.