Homburg (dpa/lrs) – Mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit der Naturschutzbund (Nabu) Homburg eine ungewöhnliche Entdeckung machte: Damals war dem stellvertretenden Vorsitzenden Hardy Welker mit seiner Wildkamera an der Blies die Aufnahme eines erwachsenen Fischotters gelungen. Eine Marder-Art, die seit dem 19. Jahrhundert als ausgestorben im Saarland galt.
Manche taten dies als Zufallsereignis oder vorübergehenden Besuch eines Einzeltieres aus Frankreich ab. Doch: «Für uns steht außer Frage, dass sich der Fischotter im Saarland niedergelassen hat», sagte Welker der Deutschen Presse-Agentur.
Es gibt Otter-Nachwuchs!
Noch vor einem Jahr hatte er mit seinen Wildkameras neun Sichtungen verzeichnet, inzwischen seien es über 70. Und das Besondere: Laut Welker lassen sich dabei eindeutig unterschiedliche Tiere ausmachen. Zusätzlich zu dem Rüden und einer erwachsenen Fähe, deren Geschlecht bereits per DNA bestätigt worden seien, entdeckte der Nabu-Experten noch ein männliches Jungtier und vor einigen Wochen offenbar zudem eine Schwester.
«Ganz eindeutig haben die Eltern hier im letzten Jahr Nachwuchs bekommen», ist Welker überzeugt. Denn einen fremden männlichen Artgenossen würde ein Altrüde niemals in seinem Revier dulden – nur einen eigenen Nachkommen. Deshalb hat die Nabu-Ortsgruppe nun beim Umweltministerium beantragt, im Sinne des Naturschutzes die lokale Population des Otters offiziell anzuerkennen.
Seitens des Ministeriums, so Sprecher Matthias Weber, sei dies allerdings «nicht vorgesehen und auch von Rechts wegen nicht erforderlich». Der Fischotter sei nach wie vor dort anerkannt sowie streng geschützt und werde in Planungen berücksichtigt, wo er nachweislich vorkomme. Außerdem gebe es ein dichtes Monitoring der Tiere, das auch über das sonst übliche bundesweite Stichprobenmonitoring hinaus gehe.
Von einer offiziellen Anerkennung als Population erhoffen sich die Naturfreunde indes positive Effekte für das Umfeld des Otters. Denn das lasse, obwohl dieser Bereich als Natura2000-Schutzgebiet eingestuft sei, bereits jetzt deutlich zu wünschen übrig. Natura2000 ist ein zusammenhängendes Netz aus Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union, das seit 1992 dem Erhalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume dienen soll.
«Ich wäre schon froh, wenn wenigstens die aktuell geltenden Vorschriften eingehalten würden», sagt Welker. Tatsächlich jedoch sei die Bepflanzung am Uferrand, die große Bedeutung für den Lebensraum des Otters habe, «radikal rasiert», Bäume abgeholzt und Wiesen viel zu oft gemäht worden.
Matthias Weber weist darauf hin, dass eine unangemessene Bewirtschaftung oder das «Abrasieren» der Ufer je nach Lage ein Verstoß gegen die Schutzgebietsauflagen oder die Auflagen gegen die (Zer-)Störung von geschützten Biotopen darstelle. Wenn solche Meldungen im Ministerium eingingen, würde dem umgehend nachgegangen.
«Dennoch bleibt die Feststellung, dass der Lebensraum geeignet ist, sonst wäre der Otter nicht von selbst dorthin gekommen und wäre längst schon nicht mehr da», betont der Ministeriumssprecher. «Das Gegenteil ist der Fall: Er fühlt sich offensichtlich an der Blies sehr wohl, wie die vermutlich zwei Jungtiere belegen.»
Größte Sorge: Stinkender Erbach
Den Naturschützern ist jedoch vor allem der Zustand des schäumenden und nach Waschmitteln stinkenden Erbaches ein Dorn im Auge, der laut Welker «mit einer ungeheuren Last an Tensiden und anderen nicht erfassten Stoffen» in die Blies fließe. Seit sechs Jahren mahne der Nabu eine vierte Klärstufe an – bislang vergebens.
«Die Gewässerqualität muss dringend verbessert werden. Das ist unsere größte Sorge. Zumal wir seit einigen Monaten eine Verschlimmerung bemerken», sagt Welker. Er befürchtet, dass das Wasser den Fischotter vertreiben oder mittelfristig krank machen wird.
Otter brauchen Hilfsmittel unter Brücken
Und noch etwas beunruhigt den Nabu-Vorstand: die Brücke in Ingweiler. Denn Otter haben die tödliche Marotte, dass sie nicht unter Brücken hindurchschwimmen, sondern den Weg über die Straße wählen. «Viele schaffen das nicht lebend», so Experte Welker. Der Engpass in Ingweiler stelle eine überaus gefährliche Stelle für den Fischotter dar.
Vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Mecklenburg-Vorpommern kennt er sinnvolle Maßnahmen, die die Tiere schützen könnten: schmale Laufstreifen oder auch Planken unterhalb der Brücke, die verhindern, dass die Otter den Uferbereich verlassen. Auch fürs Saarland fordert der Nabu solche Einbauten.
«Bessere Wasserqualität und gesicherte Otterwege sind selbstverständlich wichtig. Eine Verbesserung der Kläranlagensituation ist sicher wünschenswert, liegt aber nicht alleine in der Hand des Ministeriums», entgegnet Matthias Weber. Im Übrigen würden die Ansprüche des Fischotters in einer derzeit laufenden Biotopverbundplanung berücksichtigt.
Dass ihm innerhalb dieses Jahres so viele neue Aufnahmen gelungen sind, führt «Otter-Spotter» Hardy Welker nicht nur auf seinen «guten Draht zum lieben Gott» zurück, sondern auch auf seine gezielte Suche. Mittlerweile hat er zwölf Kameras aufgestellt, die er regelmäßig kontrolliert. Zudem weiß er inzwischen sehr genau, wo und wie er sie platzieren muss, damit er den scheuen Nachtjäger vor die Linse bekommt.
Und er kann die einzelnen Tiere auch gut unterscheiden: Der «Vater» sei ein stattlicher, etwa 1,20 Meter langer Rüde mit einem Fleck auf der Schulter. Das Muttertier habe links eine Gehschwäche. «Vermutlich, weil es ein Gelenk verstaucht oder ausgekugelt hatte», meint der Otter-Fan.
Behördenvertreter aus Frankreich kommen
Von seinem Wissen wollen nun auch die Nachbarn aus Frankreich lernen: Anfang März kommen Behördenvertreter aus der Umweltabteilung des Départements Moselle zu einem Erfahrungsaustausch in das Revier. Die Franzosen haben kürzlich einen toten Fischotter gefunden, der überfahren worden war – etwa 32 Kilometer Luftlinie entfernt.
Gibt es inzwischen also mehr Otter in der Region als noch vor einigen Jahren? Da ist Hardy Welker skeptisch: «Ich glaube, dass sie schon sehr viel länger hier sind, als seit dem Zeitpunkt, als wir den Ersten entdeckt haben», ist er überzeugt. «Nur durch das permanente Hinschauen an verschiedene Stellen finden wir ihn jetzt auch öfter.»
Deshalb drängt der Naturschützer auch so sehr darauf, dass der Bestand von offizieller Stelle anerkannt wird. «Dann muss man mehr auf seinen Lebensraum aufpassen – und die Chance wird für ihn größer, bei uns auch bleiben zu können.»