Altötting (dpa/tmn) – Manchmal ist Veronika Kammerer sprachlos. Da gibt es einen alten Bauernhof, der sehr gut um- und ausgebaut werden könnte. Aber die Bauherren wollen ihn abreißen und stattdessen ein neues Einfamilienhaus errichten. «Es wird wahnsinnig viel kaputt gemacht, statt mit dem zu arbeiten, was bereits vorhanden ist», sagt die Architektin und Innenarchitektin aus Altötting (Bayern).
Sie spricht damit ein zentrales Thema enkelgerechten Bauens an. Damit ist nicht gemeint, dem Nachwuchs viel Platz zum Spielen einzuräumen. Es geht vielmehr darum, beim Um- oder Neubau eines Gebäudes deren Zukunft im Blick zu haben. Gebäude werden so gestaltet und ausgestattet, dass auch noch die Enkel eines Tages lange gut darin wohnen könnten. Und überhaupt, dass unsere Welt für sie erhalten bleibt.
Was schont Ressourcen?
Daher wird enkelgerecht auf eine Weise gebaut oder saniert, die Energie spart und auch andere Ressourcen schont. Das betrifft zum einen das spätere Leben im Haus: Welche Heizanlage wird genutzt, kann man selbst zur Stromversorgung des eigenen Haushalts oder gar der ganzen Stadt beitragen? Zum anderen aber auch, wie man Bestehendes erhalten kann, indem man etwa alte Gebäude umbaut und energetisch saniert.
Und es gilt gut abzuwägen, was in dem Altbau wirklich erneuert werden sollte. Ein Beispiel dafür gibt die Architektin Veronika Kammerer. Sie möchte bei der Sanierung eines Gebäudekomplexes mit 150 Wohnungen in München den Bauherrn davon überzeugen, die Fensterrahmen aus Teakholz zu erhalten. Er möchte neue aus Kunststoff einbauen.
«Dabei müsste man die Holzfenster nur etwas aufarbeiten. Manche von ihnen klemmen, bei anderen hat die Dichtung gelitten», sagt Kammerer. Zudem seien selbst dreifachverglaste Fenster mit Kunststoffrahmen nicht immer gut: Sie passen nicht zu jedem Mauerwerk und können gerade durch ihre hohe Isolierung zu Schimmelbildung führen.
Gesucht: Ideen, herkömmlichen Beton zu ersetzen
An anderer Stelle hinterfragt man beim enkelgerechten Bauen manche Baustoffe grundsätzlich. Vor allem Beton, wie er aktuell produziert wird. Denn der für seine Herstellung notwendige Sand wird weltweit knapp, sein Bindemittel Zement ist für nahezu jede zehnte ausgestoßene Tonne CO2 verantwortlich.
Intensiv wird nach neuen Rezepturen gesucht, Beton umweltfreundlicher herzustellen. Immerhin: Es gibt bereits erste Ersatzstoffe und Möglichkeiten, Betonbruch alter Gebäude in neuen Häusern zu verwenden. Alternativ rät Sabine Djahanschah, Leiterin des Referats Zukunftsfähiges Bauwesen bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) statt Beton Holz, Ziegel und Lehm zu verbauen.
Ein weiterer Aspekt beim nachhaltigen Bauen ist die Auswirkung, die die Wahl der Baustoffe auf die Gesundheit der Bewohner hat. So können bestimmte Kunststoffe krebserregend sein. Daher rät Veronika Kammerer, möglichst natürliche Produkte zu verwenden. Zudem sollten die Baustoffe aus der Region kommen – und nicht aus fernen Ländern eingeflogen werden.
Der Bausektor muss sich verändern
All diese Maßnahmen werden nicht die Welt retten, aber in großem Maße umgesetzt zu Veränderungen führen. Denn: «Etwa ein Drittel des Energieverbrauchs ist dem Bausektor zuzurechnen», sagt DBU-Expertin Sabine Djahanschah. «Und über 50 Prozent des Abfallaufkommens.»
Nicht alles können Bauherren selbst angehen und verändern, etwa das Umdenken beim Recycling von Baustoffen. So müsste die Bauindustrie schon beim Hausbau dafür sorgen, dass in ferner Zukunft, wenn das Gebäude wieder abgebaut werden muss, alle Teile getrennt voneinander entsorgt oder besser noch wieder verwendet werden können.
Aber es gibt auch hier schon einen Anfang: Über Baustoffbörsen können Firmen und auch private Sanierer und Bauherren gut erhaltene alte Baustoffe ver- und einkaufen.
Und letztlich geht es beim enkelgerechten Bauen um das, was auch im Namen steckt: Die Enkelkinder. Die Zukunft. Wie können wir und die uns nachfolgenden Generationen möglichst lange in unserem Eigenheim leben?
Bei der Bauplanung 30, 40 Jahre vorausdenken
«Viele unserer Kunden achten von Beginn an auf die barrierefreie Gestaltung der Räume», berichtet etwa Fabian Tews vom Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF). Sein Tipp: Darauf achten, dass man in einem Haus nachträglich noch Etagen voneinander abtrennen kann, etwa für das Pflegepersonal. Oder um den Enkeln eine Wohnung zu geben.
Und so beginnt im besten Fall ein Kreislauf: Alte Gebäude werden nicht abgerissen, sondern durch Umbau und Sanierung immer weiter verwertet.
Auch Veronika Kammerer konnte die Eigentümer des erwähnten Bauernhofs letztlich überzeugen, den Hof nicht abzureißen. Das lag an den Kosten, aber auch an den gestalterischen Möglichkeiten, die es bei fast allen Gebäuden gibt. Bei dem Beispiel wurden ein paar Wände herausgerissen, um die Räume zu vergrößern – so einfach kann es manchmal sein, alte Gebäude attraktiv weiter zu nutzen.