Die EU-Kommission hat mit ihrem Omnibus-Paket vom 26. Februar 2025 einen Schritt angekündigt, der zentrale Elemente des European Green Deal gefährden könnte. Während Ursula von der Leyen von „Vereinfachung“ spricht, deuten interne Dokumente und Lobbystrategien darauf hin, dass die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) in ihrer Substanz geschwächt werden könnten. In diesem Bericht beleuchten wir die geplanten Maßnahmen, die treibenden Kräfte hinter dieser Reform und die möglichen Auswirkungen auf Menschenrechte, Umweltstandards sowie die europäische Nachhaltigkeitsagenda.
Die politische Entstehung des Omnibus-Pakets
Der Einfluss wirtschaftsnaher Lobbyverbände
Die Initiative für das Omnibus-Paket ist das Ergebnis einer koordinierten Kampagne deutscher, französischer und italienischer Wirtschaftsverbände, die seit 2024 gegen die CSDDD mobil machen. Verbände wie der BDI, MEDEF und CONFINDUSTRIA fordern eine Verschiebung der CSDDD-Umsetzung sowie die Streichung zentraler Elemente wie zivilrechtlicher Haftung und Klimaplanpflichten. In einem gemeinsamen Positionspapier vom Januar 2025 wird zudem eine „maximale Harmonisierung“ gefordert, um nationale Gesetze wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu blockieren.
Die Rolle der Europäischen Volkspartei (EVP)
Unter Manfred Weber und Friedrich Merz treibt die EVP eine aggressive Deregulierung voran. Auf ihrem Klausurtreffen in Berlin im Januar 2025 beschloss die Partei, die CSDDD und CSRD um „mindestens zwei Jahre“ zu verschieben. Dies widerspricht den ursprünglichen Zusagen von von der Leyen, die CSDDD nicht anzutasten. Um ihre Mehrheiten zu sichern, sucht die EVP Allianzen mit rechtspopulistischen Fraktionen.
Geplante Änderungen an der CSDDD
Einschränkung des Anwendungsbereichs
Ein zentraler Angriffspunkt ist die Erhöhung der Schwellenwerte: Statt Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden sollen nur noch Firmen mit über 5.000 Beschäftigten erfasst werden. Dies würde die Zahl der betroffenen Unternehmen drastisch reduzieren und Risikobereiche wie Textilproduktion ausblenden. Der BDA argumentiert, dies entlaste den Mittelstand – tatsächlich betrifft die CSDDD jedoch fast ausschließlich Großkonzerne.
Streichung der zivilrechtlichen Haftung
Artikel 29 der CSDDD, der Opfern von Menschenrechtsverstößen Schadensersatzklagen ermöglicht, steht auf der Streichliste. Wirtschaftsverbände sehen darin eine „Haftungsfalle“, während NGOs warnen, dass Betroffene damit jeglicher rechtlichen Rechenschaft beraubt würden. Ein Beispiel wie der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik könnte juristisch folgenlos bleiben.
Abschwächung klimabezogener Pflichten
Die Verpflichtung zur Erstellung von Klimaplänen gemäß dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens soll entfallen. Lobbyisten fordern stattdessen unverbindliche „Empfehlungen“, was die europäischen Klimaziele systematisch untergräbt.
Angriffe auf die CSRD: Bürokratieabbau als Trojanisches Pferd
Kürzung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Die CSRD verlangt über 1.000 Berichtspunkte von Unternehmen ab 2025. Die Bundesregierung fordert eine „deutliche Reduzierung“ dieser Punkte angeblich zur Entlastung von KMU. Studien zeigen jedoch, dass viele Unternehmen bereits Sorgfaltspflichten umsetzen und darin Wettbewerbsvorteile sehen. Die geplante Streichung betrifft insbesondere menschenrechtliche Due-Diligence-Pflichten.
Verschiebung der Berichtspflichten
Die Kommission plant, die Fristen für kleinere Unternehmen um zwei Jahre zu verlängern. Kritiker warnen jedoch, dass dies bereits investierte Vorbereitungskosten großer Konzerne entwerten würde. Gleichzeitig drängt die FDP auf eine „maximale Harmonisierung“, die nationale Zusatzanforderungen verbietet.
Politische Dynamik innerhalb der EU-Institutionen
Widerstand innerhalb der Kommission
Während von der Leyen und Dombrovskis die Reform vorantreiben, lehnen Schlüsselakteure wie Justizkommissar McGrath Änderungen an der CSDDD ab. Dies zeigt interne Spannungen: McGrath betont, dass die CSDDD fristgerecht umgesetzt werden müsse.
Die Rolle des Europäischen Parlaments
Die Fraktionen der Grünen, Sozialdemokraten und Linken haben sich geschlossen gegen eine Aufweichung der CSDDD ausgesprochen. Doch da die EVP auf Unterstützung rechtsextremer Gruppen angewiesen ist, könnte es zu einem gefährlichen Präzedenzfall kommen.
Wirtschaftliche und menschenrechtliche Folgen
Wettbewerbsverzerrung zu Lasten nachhaltiger Unternehmen
Unternehmen wie Nestlé und Unilever warnen vor unfairen Wettbewerbsbedingungen bei gesenkten Standards. Eine Studie zeigt, dass viele vom deutschen LkSG betroffenen Firmen dieses als entscheidenden Hebel für mehr Nachhaltigkeit bewerten.
Menschenrechtliche Rückschritte
Die Streichung zivilrechtlicher Haftung würde Opfer von Zwangsarbeit oder Umweltzerstörung entrechten. Ohne Haftungsregeln blieben Verstöße juristisch folgenlos – ein Rückschritt für Menschenrechte in Europa.
Fazit: Ein Testfall für die europäische Werteunion
Die Omnibus-Verordnung offenbart einen grundlegenden Zielkonflikt zwischen kurzfristiger Wettbewerbsfähigkeit und langfristiger Nachhaltigkeit. Während die Kommission versichert, dass sie die „Substanz“ der Gesetze bewahren will, zeigen Lobbypapiere eine systematische Demontage zentraler Bestandteile. Dieses Vorhaben gefährdet nicht nur den Green Deal, sondern auch das Vertrauen in die EU als Wertegemeinschaft. Sollte es zur Zusammenarbeit mit rechtsextremen Kräften kommen, wäre dies ein historischer Rückschritt für Umweltpolitik und Demokratie in Europa.
Quellen: [1] [PDF] Rollback des European Green Deal? Omnibus-Verordnung droht …[2] EU Green Deal: Omnibus könnte Green Deal überfahren[3] DRSC unterbreitet fünf Vorschläge zur Omnibus-Initiative[4] Bundesregierung schickt Anfragen an EU mit dem Verlangen …[5] [PDF] Rollback des European Green Deal? Omnibus-Verordnung droht …[6] Nachhaltigkeitsregeln: Bürokratie versus Backlash – CSR-Kommunikation