Düsseldorf (dpa/lnw) – Mehr als 300 Ermittler sind mit einer Razzia gegen organisierte Umweltkriminalität und die illegale Entsorgung belasteter Böden vorgegangen. «Heute Morgen hat die Polizei an 39 Türen geklopft, dazu gehören Wohnungen, aber auch Geschäftsräume von Firmen in Nordrhein-Westfalen», sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Derzeit stünden 34 Beschuldigte im Verdacht, als Teil eines organisierten kriminellen Netzwerks über einen längeren Zeitraum hinweg tonnenweise belastete Böden und Abfälle illegal entsorgt zu haben, berichtete der Dortmunder Staatsanwalt Alexander Kilimann von der dortigen Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in NRW.
Die Ermittlungen und Datenauswertungen dauerten am Dienstagnachmittag noch an. Zunächst sei keiner der Verdächtigen in Haft genommen worden, teilte der Staatsanwalt mit.
Großes Netz mit vielen Profiteuren
Einen «Hauptbeschuldigten» gebe es nicht, sagte Kilimann. Die Ermittlungsmaßnahmen richteten sich demnach unter anderem gegen Transportunternehmer aus dem Baustoffsektor sowie Verantwortliche von Abfallentsorgungsunternehmen. «Sie stehen alle gemeinsamen im Verdacht, belastete Böden angenommen und diese als vermeintlich unbelastet an verschiedenen Stellen abgekippt zu haben», berichtete der Staatsanwalt.
Nach bisherigen Erkenntnissen könnte das am Tagebau in Garzweiler geschehen sein, aber auch in Kies- und Sandgruben sowie Baustellen – teils vermutlich mit dem Wissen der Beteiligten, teils ohne Wissen der Bauherren.
Umweltkriminelle wiegen sich in Sicherheit
Ein besonders dreistes Beispiel zeigen Videoaufnahmen einer Drohne, die im Landeskriminalamt (LKA) vorgeführt wurden. Die Polizei Recklinghausen habe am vergangenen Samstag eine Drohne über einer Kiesgrube im Westen kreisen lassen, berichtete Kriminaloberrat Thomas Virnich von der Vernetzungsstelle Umwelt im LKA.
Zufällig sei dabei erfasst worden, wie sich mehrere Dutzend Sattelschlepper auf die Kiesgrube zubewegten und dann unmittelbar zwei Raupen auftauchten, um die Lkw-Ladungen unmittelbar zu verarbeiten. «Ich denke, die Bilder sind eindrucksvoll und machen deutlich, dass das kein geschäftsüblicher Betrieb ist an einem Samstag» stellte Virnich fest.
Die Masche der Betrüger
Das wirtschaftliche Interesse der beschuldigten Transportunternehmer bestehe darin, eine angeblich ordnungsgemäße Entsorgung eines belasteten Bodens für viel Geld gegenüber den Auftraggebern abzurechnen, aber tatsächlich deutlich weniger für die Entsorgung zu bezahlen, weil man diese Böden als unbelastet deklariert hat. Dies biete «eine beträchtliche Gewinnspanne», erläuterte Kilimann.
Dafür sollen in großem Stil auch Wiege- und Lieferscheine gefälscht worden sein. Gegen die mutmaßlich Tatbeteiligten bestehe der Verdacht von schwerwiegenden Umweltstraftaten, des banden- und gewerbsmäßigen Betruges sowie der Bestechung und Bestechlichkeit, sagte der Staatsanwalt.
Der illegale Gewinn muss abgeschöpft werden
«Das ist Umweltkriminalität in einem großen und organisierten Maßstab. Wir dürfen es nicht zulassen, dass hier Millionen ergaunert werden. Wir müssen das Geld auf jeden Fall wieder zurückholen», sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne).
Die Bekämpfung der Umweltkriminalität sei bei der Staatsanwaltschaft Dortmund und im Landeskriminalamt neu aufgestellt worden. Dort herrsche «große Aufbruchstimmung und das schreckt die Kriminellen vor Ort auch auf», sagte Limbach.
Objekte in mehreren Städten wurden durchsucht
Wegen des Verdachts schwerwiegender Umweltstraftaten seien Objekte unter anderem in Bottrop, Castrop-Rauxel, Euskirchen, Krefeld und Recklinghausen durchsucht worden, teilte das LKA in Düsseldorf mit. Mehr als 50 Durchsuchungsbeschlüsse seien vollstreckt worden, bilanzierte Virnich.
Tonnenweise belastete Böden und Abfälle illegal entsorgt
Nach Angaben der Ermittler steht der Einsatz, der um 6 Uhr zeitgleich an verschiedenen Orten begann, im Zusammenhang mit Ermittlungen und strafprozessualen Maßnahmen vom September 2024 und vom Januar 2025. Damals waren bereits Durchsuchungsbeschlüsse in Grevenbroich, Jüchen, Krefeld und anderen Orten vollstreckt worden.
Bodenaushub illegal im Tagebau Garzweiler entsorgt
Es war dabei ebenfalls um mit Schadstoffen belasteten Bodenaushub gegangen, der tonnenweise illegal im Tagebau Garzweiler Jüchen entladen worden sein soll. Nach damaligen Angaben der Polizei richtete sich das Ermittlungsverfahren gegen einen 56 Jahre alten Unternehmer, seinen 24-jährigen Sohn sowie vier weitere Beschuldigte.
Auf Antrag der Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in NRW seien in den vergangenen Monaten gegen vier Beschuldigte Haftbefehle ergangen, sagte Kilimann. «Ferner sind auf unseren Antrag hin mehrere Vermögensarreste erlassen worden.» Damit hätten bereits im Ermittlungsverfahren rund 1,5 Millionen Euro gesichert werden können.
Die Ermittlungsbehörden seien durch verschiedene Hinweise und Strafanzeigen von Behörden auf die Umweltverbrechen aufmerksam gemacht worden. Zudem hätten sich aus den Durchsuchungen und den Auswertungen der beschlagnahmten Dokumente in den vergangenen Monaten Hinweise auf kriminelle Strukturen ergeben.