Wiesbaden (dpa/lhe) – Ein verletzter Kauz im Glück: Mitarbeiter des indonesischen Konsulats in Frankfurt entdecken den Jungvogel, der mutmaßlich aus dem Nest gefallen ist. Sie organisieren Hilfe und zwei Bedienstete der Stadtpolizei bringen den gefiederten Patienten zum Tierarzt, wie die Stadt Frankfurt berichtet. Dort wurde der Kauz inzwischen operiert und ein gebrochener Flügel stabilisiert. «Mittlerweile erholt er sich auf dem Falkenhof am Feldberg», sagt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Die Falknerei betreibt eine Auffang- und Pflegestation für kranke und verletzte Greife.
Die richtige Hilfe für verletzte Wildtiere – das wird in Hessen immer schwieriger, wie Korinna Seybold von der Interessengemeinschaft hessischer Wildtierpfleger beklagt. «Es gibt viel zu wenige gut ausgebildete Pflegestellen für zu viele Notfälle.» Die Versorgung hilfsbedürftiger Wildtiere werde in Deutschland überwiegend von Privatleuten im Ehrenamt gestemmt.
Monatliche Kosten von 1.000 bis 1.500 Euro seien bereits für kleinere Stationen keine Seltenheit und müssten aus eigener Tasche oder mit Spenden gedeckt werden – obwohl private Pflegestellen auch von öffentlichen Institutionen wie der Polizei oder Feuerwehr in Anspruch genommen würden.
Kein freies Wochenende, kein Urlaub
Immer wieder müssten Pflegestellen aufhören, weil sie die finanzielle und zeitliche Belastung nicht mehr stemmen können, erklärt Seybold, Leiterin der Wildtierhilfe Odenwald in Bad König. Hessen solle sich ein Vorbild an Niedersachsen nehmen, so die Forderung der Tierpflegerin. Dort gebe es einen speziellen Fördertopf beim Umweltministerium.
Die ehrenamtliche Pflege von Wildtieren sei oft zeitintensiver als ein Vollzeitjob, erläutert Seybold. Jungtiere müssten Tag und Nacht alle drei bis vier Stunden gefüttert werden. «Wir haben also nicht um 18.00 Uhr Feierabend, kein freies Wochenende und Urlaub ist meist auch nicht möglich.» Allein in Hessen kümmerten sich Ehrenamtliche um jährlich mehrere Tausend Notfälle.
Die emotionale Belastung sei teils enorm, speziell bei den Igelpflegestellen. «Denn bei dieser Tierart ist die tägliche Konfrontation mit schlimmsten Verletzungen durch Mähroboter, Fadenschneider und Ähnlichem besonders hoch», erklärt Seybold. «Das hält man zehn Jahre aus aber irgendwann ist es nur noch schwer zu ertragen.»
Die Versorgung von Wildtieren gehört grundsätzlich in die Hände von Fachleuten. Wer ein Tier findet, sollte daher zuerst eine Wildtierstation oder Pflegestelle anrufen. Nach den Worten von Seybold ist nicht jeder vermeintliche Notfall wirklich einer. «Feldhasenkinder oder Kitze sitzen immer allein und ungeschützt in der Wiese, Wildkatzenkinder oder Fuchswelpen spielen auch mal ohne Elterntier, nicht jeder struppige Fuchs hat gleich Räude», erklärt sie.
Zu hilfsbedürftigen Tieren zählen unter anderem Fledermäuse, die tagsüber auf dem Boden liegen oder Igel und Siebenschläfer, die im Winter unterwegs sind, obwohl sie eigentlich Winterschlaf halten müssten.
Auch Nestlinge, also Jungvögel die nicht oder kaum befiedert sind und außerhalb des Nests auf ihren Beinchen sitzen, brauchen Hilfe, erläutert die Expertin. Ästlinge, also Jungvögel, die komplett gefiedert sind und bereits auf ihren Füßen stehen, werden außerhalb des Nests weiter gefüttert. Diese Kleinen kann man – wenn nötig – vorsichtig in eine Hecke hochsetzen, damit sie nicht auf dem Boden einer Katze zum Opfer fallen.
«Wichtig ist, sich als Finder den Fundort zu merken, um eine Geschwistersuche vorzunehmen», erklärt Seybold. Das werde in der Aufregung meist vergessen. Wenn sich die Tiere erholt haben, seien Rückführungen in die alte Heimat bei vielen Arten durchaus möglich, etwa bei Eichhörnchen, Siebenschläfern und Fledermäusen.
Mit Blick auf die langfristige Versorgung der Findelkinder warnt die Wildtierpflegerin: «Bitte keinen Selbstversuch wagen.» Gerade bei Jungtieren könne jeder kleine Fehler im Umgang oder bei der Fütterung tödlich sein. «Aufzucht und die richtige Vorbereitung auf die Auswilderung bedürfen umfangreicher Kenntnisse und speziellen Equipments», erklärt Seybold. Falsche Hilfe könne eine Auswilderung unmöglich machen.
Tierhilfe als moralische Pflicht
«Und bitte nicht von Stimmen verunsichern lassen, man würde mit dem Helfen bei einem Notfall in den natürlichen Kreislauf eingreifen», ergänzt sie. Die Mehrzahl der hilfsbedürftigen Wildtiere gerate aus menschlichem Verschulden in Not. Viele Tiere würden Opfer im Straßenverkehr, blieben in Zäunen hängen oder fielen in eine Regentonne.
«Wir nehmen ihnen Lebensraum, Nahrung und Rückzugsmöglichkeiten weg – es ist also aus moralischer Sicht unsere Verpflichtung und Verantwortung, dann zu helfen, wenn es um einen Notfall geht», sagt Seybold.