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Projekt zur Kontrolle von Kasseler Waschbären startet

Kassel (dpa/lhe) – Waschbären sind niedlich und zugleich eine Plage. In der Waschbären-Hochburg Kassel leben schätzungsweise über 100 Waschbären pro 100 Hektar – das entspricht etwa einem Tier pro Fußballfeld und ist eine der höchsten Raubtierdichten Europas. Um die Population der invasiven Art einzudämmen, beginnt in der nordhessischen Stadt jetzt ein europaweit einzigartiges Pilotprojekt. 

Unter Leitung des Bundesverbands der Wildtierhilfen (BVW) fängt und sterilisiert ein Team aus rund 30 Ehrenamtlichen – darunter Jäger, Studenten und Wildtierhelfer – und zehn Tierärzten Waschbären im Stadtgebiet. Anschließend werden die Tiere wieder in die Freiheit entlassen. «Der Druck durch die Waschbären wird jedes Jahr stärker. Wir müssen etwas tun», sagte die Geschäftsführerin des BVW, Vera Heck. 

Denn die Tiere haben negativen Auswirkungen auf die Natur und Artenvielfalt und verursachen Schäden an Haus und Garten. Kassels Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl appellierte daher auch an die Bevölkerung, das Nahrungsangebot für die Tiere zu reduzieren, etwa durch Sicherung der Mülltonnen, die die Raubtiere gerne plündern. 

Fangen und sterilisieren

Der BVW will nun 20 Lebendfallen und zwei große Volieren, in denen mehrere Tiere auf einmal eingefangen werden können, in einem ersten Projektgebiet in Kassel aufbauen. Die mit Kameras ausgestatteten Kisten sollen laut Heck gezielt am frühen Abend aufgestellt werden. Ist ein Tier in eine Falle getappt, wird das Team verständigt. Die Waschbären sollen dann zeitnah eingesammelt werden.

Anschließend werden sie in eine Tierarztpraxis gebracht, dort sterilisiert und mit einer gelben Ohrmarke markiert. Wenn die Tiere wieder wohlauf sind, sollen sie noch am Abend an der Stelle freigelassen werden, an der sie eingefangen wurden. «Ziel ist erst einmal, die Population stabil zu halten, indem keine neuen Tiere hinzukommen», sagte Heck. In den folgenden Jahren werde ein Bestandsabbau von etwa 20 Prozent angestrebt. Ausrotten werde man den Waschbären in Kassel aber nicht können, betonte sie. 

Sterilisation statt Kastration

Die Tiere würden ganz bewusst sterilisiert und nicht kastriert, erklärte Tierärztin Nannette Welk. Bei einer Kastration werden die Hoden oder Eierstöcke vollständig entfernt. Das führt zu einer Veränderung des Hormonhaushalts und des Verhaltens der Tiere. Bei einer Sterilisation werden lediglich die Samen- oder Eileiter durchtrennt oder abgeklemmt. «Die Tiere benehmen sich danach genauso wie vorher», erklärte Welk. 

Der Waschbär sei so in seinem Rudel genauso akzeptiert wie zuvor und könne dort denselben Platz weiterhin besetzen. «Wir erreichen damit, dass keine Vermehrung mehr stattfindet und wir keine Nachkommen mehr haben.»

Auch die Bevölkerung kann sich beteiligen. «An den Fallen sind QR-Codes angebracht, die die Bürgerinnen und Bürger scannen können», sagte Wildtierhelferin Tanja Schäfer. Sie erhielten dann Informationen zu dem Projekt. Zudem gibt es eine Webseite des BVW, auf der Waschbären gemeldet werden können.

Zusätzliche Maßnahme zur Jagd

Das von der Stadt Kassel unterstützte Projekt wird laut Heck wissenschaftlich begleitet durch die Universität Bonn. «Wir versuchen, sehr transparent zu arbeiten», unterstrich sie. Die Kosten von etwa 30.000 bis 50.000 Euro für das dreijährige Pilotprojekt trage der Verband. «Den Steuerzahler kostet das keinen Cent», so Heck. «Wir freuen uns aber natürlich über Spenden.»

Alle behördlichen Genehmigungen lägen vor, das Vorgehen sei konform mit geltendem EU-Recht, erläuterte sie. Neben der Jagd sei es eine ergänzende Managementmaßnahme, um die Waschbärenpopulation in Kassel einzudämmen. 

Derzeit gilt für erwachsene Waschbären in Hessen eine Schonzeit von März bis Ende Juni. Die schwarz-rote Landesregierung will das ändern. Die ganzjährige Jagdzeit für Waschbären ist nach Angaben des hessischen Landwirtschafts- und Jagdministeriums im Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Hessischen Jagdverordnung enthalten.