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Schöner Schrott: So werden Auto-Abfälle zu Accessoires

Köln/Offenbach (dpa/tmn) –  Glaubt man Frank Weber, steht das Auto schon wieder vor einer Revolution. Denn neben der Digitalisierung und der Elektrifizierung werde die Kreislauftauglichkeit zu einer immer bedeutenderen Eigenschaft künftiger Produkte, sagt der BMW-Entwicklungsvorstand. Der Industrie gehen, so die vorherrschende Meinung in den Vorstandsetagen verantwortungsbewusster Unternehmen, so langsam die Materialien aus, um immer neue Autos aus immer neuen Rohstoffen zu bauen. Vom Energieaufwand und dem CO2-Fußabdruck ganz zu schweigen.

Deshalb rückt die Wiederverwertbarkeit am Ende des Lebenszyklus schon vor dessen Beginn zunehmend in den Fokus. Etwa wenn Weber noch in diesem Jahr das Tuch vom ersten Serienmodell der sogenannten «Neuen Klasse» zieht, mit der BMW sich neu erfinden will. So soll diese Fahrzeuggeneration deshalb auch beim Recycling-Anteil und bei der Recycling-Fähigkeit neue Maßstäbe setzen. Und damit sind die Bayern nicht alleine. Volvo EX30, Fisker Ocean oder der nächste Mercedes CLA – überall hört man ähnliche Ankündigungen. 

Alt-Autoteile werden zu modischen Accessoires

An so einem großen Rad kann Adrian Goosses zwar nicht drehen. Doch auch der Kölner leistet seinen Beitrag, den Kreislauf zu schließen und dessen Umschlag zu beschleunigen. Zusammen mit Michael Widmann aus Bozen hat er dafür vor rund sechs Jahren die Firma Airpaq gegründet und verwandelt den Abfall der Autoindustrie in modische Accessoires.

Vor allem Sicherheitsgurte, Gurtschlösser und Airbag-Gewebe haben es den beiden angetan. Daraus lassen sie unter anderem Rücksäcke, Gürteltaschen oder Fliegen und Einstecktücher schneidern, die dann online, über den Fachhandel und teilweise auch über Autohäuser verkauft werden. Eine Fliege mit Einstecktuch etwa kostet 40 Euro, die Rucksäcke starten aktuell bei rund 100 Euro.

Sie gehören zu der wachsenden Anzahl an Unternehmen und Kreativen, die das Recycling zm Trend ausgerufen und alte Stoffe durch Veredlung aufwerten wollen. «Wir nennen das deshalb nicht Re-, sondern Upcycling», sagt Goosses und kann über Nachschub nicht klagen: Jedes Jahr werden alleine in Deutschland laut Umweltbundesamt etwa 501 658 Tonnen Autoschrott zu Abfall, sagt der Firmengründer.

«Wir verwenden Teile dieses Schrotts und kombinieren ihn mit ästhetischem Design und sinnvollen Funktionen.» Heraus komme ein nachhaltiges Upcycling-Produkt, mit dem kostbare Ressourcen geschont würden und Müll reduziert werde. Ganz nach dem Motto: «Schrott sei Dank, die Reise geht weiter!»

Auch Autohersteller sind im Upcycling-Geschäft aktiv

Während sich Airpaq vor allem auf Taschen und Beutel beschränkt, legt der koreanische Hersteller Hyundai zusammen mit Modemarken und –designern seit 2019 alljährlich eine ganze Kollektion an Upcycling-Artikeln auf. Die wurde zum Beispiel über den Online-Store des britischen Luxuskaufhauses Sefridges weltweit angeboten. Zur Auswahl gehörten nach Angaben des Herstellers bislang unter anderem ein Korsett aus recyceltem Airbag-Gewebe, Halsketten, Halsbändern und Armreifen, gefertigt mit Teilen von Sicherheitsgurten, Autoglas und Schaumstoffen oder eine Tragetasche aus Gurtgewebe und Schaumstoffresten.

Und 2023 haben die Koreaner Jeremy Scott vom italienischen Modelabel Moschino als Partner für die Aktion Re:Style gewonnen: Mit Teilen von Rädern, Sicherheitsgurten, Rücklichtern und Scheibenwischern, die bei der Produktion von Elektrofahrzeugen wie den Kona entstanden sind, habe er Haute Couture entworfen und so die Aufmerksamkeit für das Thema gesteigert, lobt Hyundai-Designchef SangYup Lee.

Direkt von der Quelle – hier kommen die Werkstoffe her

Egal, ob Rucksack oder Rock, Halskette oder Gürteltasche – zwar sind das alles schöne Schrott-Ideen und alle folgen sie dem Ideal des Upcyclings. Doch aus ausgedienten Autos stammt das Material dabei nur zum kleinsten Teil. Stattdessen bezieht Airpaq-Chef Goosses seine Airbagstoffe zum Beispiel direkt vom Lieferanten der Autohersteller, die ihm alle jene Bahnen überlassen, die durch die bei Sicherheitsbauteilen besonders strenge Qualitätskontrolle fallen. 

«Die haben dann zwar keine ganz so schöne Geschichte zu erzählen», räumt der Müllexperte und Modemacher ein, «sind aber in der Bilanz noch umweltfreundlicher, weil sie gar nicht erst verarbeitet wurden und direkt auf den Müll gekommen wären» Und so ganz ohne den Besuch auf dem Schrottplatz kommt er trotz zunehmender Bekanntheit, stabilerer Lieferantenbeziehungen und wachsendem Recycling-Bewusstsein noch nicht aus: «Die Gurtschlösser holen wir genau wie die Sicherheitsgurte tatsächlich aus alten Autos.»

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