München (dpa/lby) – Nach den Zweifeln von Ministerpräsident Markus Söder am Erreichen der bayerischen Klimaziele hagelt es Kritik von allen Seiten. «Kaum hat der Wahlkampf begonnen, wechselt Markus Söder einmal mehr seine Position wie andere ihr Hemd. Das bayerische Klimaschutzziel ist allerdings keine Meinungssache, sondern ein gesetzlich festgelegtes Ziel», sagte Stefan Krug, Leiter des Greenpeace-Landesbüros Bayern. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig, warf Söder vor, sein eigenes Klimaziel mit Ansage gerissen zu haben.
Anlass für Debatte: Söders Aussage bei einer Pressekonferenz
Anlass für die neuerliche Debatte zu Bayerns Klimaschutzzielen ist eine Aussage von Söder nach der Haushaltsklausur des Kabinetts. Darin macht er erstmals überhaupt eine Rückkehr zur Kernkraft zur Bedingung, um die gesetzlich verankerten Klimaziele im Freistaat erreichen zu können: «Wir werden Energiesicherheit und Klimaneutralität und Preiswürdigkeit in der Geschwindigkeit ohne Kernenergie nicht hinbekommen. Bleibt es bei Kernenergie, Chance, dann können wir die Klimaziele der Klimaneutralität 2040 schaffen. Wenn nicht, dann müssen wir sie auf 2045 für Bayern setzen, wie im Bund und wie in Europa.» Darüber hatte zuerst der Bayerische Rundfunk berichtet.
Söder begründete seine Abkehr von der eigenen Zielsetzung mit «Daten und Tabellen» und betonte fast im gleichen Atemzug: «Ich fordere auch dringend einen Stopp des Rückbaus bei Isar 2. Noch ist es reversibel. Noch.» Zwar sei es mit «Aufwand verbunden», das stillgelegte Kernkraftwerk wieder ans Netz zu bringen («keine Frage»), «aber ich glaube fest daran, dass es ohne Kernenergie und dann langfristig ohne Kernfusion es nicht geht».
2019 forderte Söder noch eine Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz
Zur Erinnerung: In Bayern gilt seit 2023 das aktuelle Klimaschutzgesetz. Es wurde einst auch auf Druck von Söder initiiert, der zum Ende des vergangenen Jahrzehnts als vehementer Vorkämpfer für den Klimaschutz auftrat. 2019 forderte er sogar, den Kampf gegen die Erderhitzung als Staatsaufgabe im Grundgesetz zu verankern. Und dies, obwohl auch damals schon klar war, dass Deutschland Ende 2022 die letzten Atommeiler abschalten wollte – was sich später wegen der Gaskrise auf April 2023 verzögerte. Söder warnte damals übrigens auch davor, dass es künftig in Deutschland «Klimawahlkämpfe» geben könnte.
«Mit Wunschträumen über die Auferstehung der Atomkraft wird Söder das Versagen seiner Regierung beim Ausbau von Windkraft und Stromnetzen nicht vertuschen können», betonte Krug. Auch für Stümpfig ist die Sache klar: «Klar reißt Markus Söder das Ziel. Er hat ja auch nichts dafür getan, um es überhaupt erreichen zu können. Bis heute hat Bayern keine verlässliche Wärmestrategie, es hat kein Mobilitätskonzept, es hat keine Roadmap für Klimaneutralität 2040. Da liegt es doch auf der Hand, dass man sein Ziel nicht erreicht.»
Massive Kritik auch aus den Reihen des Koalitionspartners Freie Wähler
Doch Kritik kommt nicht nur von zwei offenkundigen Kritikern der Kernkraft. Auch aus der eigenen Koalition sind entsprechende Töne zu vernehmen: Freie-Wähler-Klimaexperte Benno Zierer hält nach dem BR-Bericht nichts von einer Rückkehr zur Atomenergie. Die Atomkraft sei ein «totes Pferd». Bayern könne durchaus bis 2040 klimaneutral werden, wenn die Bevölkerung mitziehe und die Politik «vernünftig» gestalte.
Bisher hatten auch CSU-Politiker immer jegliche Zweifel an der bayerischen Klimaneutralität bis 2040 – etwa von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) – umgehend einkassiert. Und auch im aktuellen Koalitionsvertrag, gerade mal ein Jahr alt, hatten CSU und Freie Wähler betont: «An unserem Ziel Klimaneutralität bis 2040 halten wir fest.»
Rückendeckung von CSU-Fraktionschef Holetschek
Rückendeckung erhält Söder von seinem eigenen Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek, der noch im Sommer Aiwanger für dessen Zweifel am Klimaschutzzeitplan massiv kritisiert hatte: «Klimaschutz darf nicht auf Kosten unserer Wirtschaft und Arbeitsplätze gehen. Es braucht Technologieoffenheit, realistische Zielsetzungen und eine Politik, die mit den Menschen und Unternehmen zusammenarbeitet, nicht gegen sie. Dies ist auch unsere gemeinsame Haltung in der Regierungskoalition.» Notwendige Anpassungen mit neuen zeitlichen Perspektiven seien somit sachgerecht und in der Regierungskoalition unstrittig.