Berlin (dpa/bb) – So mancher Berliner hat das Gefühl, in diesem Jahr besonders viele Wildschweine zu sehen – diesen Eindruck bestätigt der Stadtnaturexperte Derk Ehlert im Gespräch mit dpa. Offizielle Zahlen oder Schätzungen gebe es zwar nicht, die Bestände nähmen aber seit 60 Jahren zu und seien jetzt auf einem hohen Niveau.
Einer der Hauptgründe seien die niederschlagsreichen Jahre 2023 und 2024, in denen die Tiere das ganze Jahr über genug zu fressen gefunden hätten. Auch die Intensivierung der Landwirtschaft trage dazu bei, etwa der Anbau von Mais.
Wildschweine sind Allesfresser, «von der Wurzel, Engerlingen, Maden, bis hin zu Pflanzen, nehmen sie alles, was sie kriegen können», sagt Ehlert. Sie seien relativ gesättigt in den Herbst gegangen und hätten daher im Frühjahr einen etwas größeren Bestand.
Auch die Plätze, an denen Wildschweine derzeit vermehrt auftauchen – Heiligensee, das Allendeviertel in Treptow-Köpenick oder auch Lichterfelde-Steglitz oder Zehlendorf-Süd – seien nicht ungewöhnlich. Es gebe aber so gut wie kein Wildschwein, das im Siedlungsgebiet der Menschen wohnt. «Wir haben immer diesen Übergang zur Feldlandschaft oder zum Wald.» In einigen Bereichen hätten die Tiere sich daran gewöhnt, genug Versteckmöglichkeiten und Nahrung zu finden.
Angst haben müsse man vor Wildschweinen grundsätzlich nicht. «Wildschweine sind friedlich», auch wenn sie groß, mächtig und unheimlich wirken. «Ich mache das seit 25 Jahren und mir ist kein einziger Fall bekannt, wo Wildschweine von sich aus Menschen angegriffen haben.» Ausnahmen gebe es bei verletzten oder in die Enge getriebenen Tieren oder bei Begegnungen mit Hunden.
Bachen bekommen Frischlinge
«Jetzt gerade ist die Zeit, in der die Bachen Junge bekommen», sagt Ehlert. Um Junge zu bekommen, gingen die weiblichen Tiere gerne aus dem Wald heraus, weil die Wahrscheinlichkeit in Berliner Wäldern auf freilaufende Hunde zu stoßen, größer sei, insbesondere in Hundeauslaufgebieten. In menschlichen Siedlungsgebieten fänden sie oft mehr Verstecke, etwa auf unbebauten oder privaten Grundstücken.
«Deutliche Anzeichen sind hier, wenn plötzlich ein Wildschwein alleine auftritt, Äste abreißt und so eine Art Reisighaufen baut. Sogenannte Nester.» Da schöben die Tiere sich hinein, und bekämen Junge. «Wenn man das beobachtet, sollte man tunlichst nicht zu nah ran treten, weil die Tiere dann tatsächlich nicht ungefährlich sind.» Die Bachen blieben dort etwa vier bis fünf Tage, bis die Jungen laufen könnten.
Bei normalen Begegnungen empfehle es sich, stehenzubleiben, abzuwarten und laut zu sprechen, sagt Ehlert. «Wildschweine machen selber Geräusche, wenn sie fressen, dann können sie auch schon mal Menschen überhören.» Hundehalter sollten ihren Hund unbedingt angeleint lassen.
Ehlert rät dringend, die Tiere weder gezielt noch ungezielt zu füttern. Ein in Berlin konkretes Problem seien die Massen biologischer, organischer Stoffe, die immer wieder illegal am Waldrand abgelegt werden: Zweige, Wurzeln, Zwiebeln, Gemüsereste, Mahdgut von der Wiese. Dies führe dazu, dass der Boden wie beim Kompostieren warm werde und dort bestimmte Organismen und Pilze wachsen, die die Tiere wiederum riechen können und die sie so nicht im Wald haben. Das locke die Tiere an den Waldrand, sagt Ehlert.