Kiel (dpa/lno) – Wohnungsmietende müssen im Zuge der energetischen Sanierung von Mehrfamilienhäusern in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren mit spürbar höheren Mieten rechnen. Die sogenannten Wohnfolgekosten lägen schätzungsweise bei ein bis zwei Euro je Quadratmeter, sagte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, Dietmar Walberg, bei der Vorstellung einer Machbarkeitsstudie zum klimaneutralen Wohnungsbau.
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) geht dagegen von deutlich höheren Kosten aus. «Wenn man die Berechnungen von Prof. Walberg zu Grunde legt, werden die Mieten in Schleswig-Holstein im Durchschnitt um fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter steigen müssen, um die Investitionen für die Energiewende bezahlen zu können», sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. «Das bedeutet bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung, dass die Mieterinnen und Mieter im Monat bis zu 560 Euro mehr aufwenden müssen.»
Regierungspläne
Die schwarz-grüne Landesregierung will Schleswig-Holstein bis 2040 zum klimaneutralen Industrieland umbauen und setzt dabei auf die Sanierung der Wohngebäude. Sie hat die Studie in Auftrag gegeben.
Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) riet Eigentümerinnen und Eigentümern: «Auf Grundlage der jetzt vorliegenden Studie schlagen wir vor, die Sanierungsmaßnahmen am Gebäudebestand auf das zwingend Notwendige zu begrenzen.» Die zu erwartenden Gesamtkosten für die Sanierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern lägen bei 82,5 Milliarden Euro. Der Fokus müsse auf den rund 20 Prozent nur wenig modernisierten Gebäuden aus der Zeit von vor 1979 liegen.
Positiv wertet Sütterlin-Waack, dass der Sanierungsstand besser sei als vermutet. Die Regierung strebe ein ausgewogenes Zusammenspiel von Sanierung und Ausrüstung mit klimaneutraler Energie zur Wärmeerzeugung an. Trotz klimaneutraler Wärmeversorgung solle das Wohnen bezahlbar bleiben.
Investitionen für Hausbesitzer
Experte Walberg verwies auf jüngste Technologiesprünge beispielsweise bei Wärmepumpen. Vier von fünf Häusern im Land seien bereits geeignet für die Nutzung einer Wärmepumpe. Bei älteren Immobilien gebe es einen einfachen Trick, um den Einbau einer Luftwärmepumpe zu testen: Bei Heizkörpern mit einer Einstellungsskala von 1-5 sollten Nutzer bei Minustemperaturen diese einfach nur auf den mittleren Wert 3 stellen. Sei das Haus damit ausreichend beheizt sein, so sei es wärmepumpentauglich.
Walberg schätzt den Investitionsbedarf für ältere Häuser auf etwa 300 bis 400 Euro pro Quadratmeter. Häufig müssten in erster Linie das Dach und die Fenster saniert werden. Meist halten Tonpfannen 50 bis 60 Jahre.
Vorteil großer Heizkörper
Bei alten Häusern aus den 1950er und 1960er Jahren beispielsweise sieht der Fall anders aus. Bei diesen Dort seien zwar meist bereits Sanierungen erfolgt, sagte Walberg. «Aber wir haben immer noch einen nicht unbeträchtlichen Teil an zweischaligen Fassaden der 50er-, 60er-Jahre, die nach einer Kerndämmung geradezu schreien.» Meist hätten solche Häuser überdimensioniert große Heizkörper. Gerade diese seien jedoch wärmepumpentauglich.
Klar ist, auf Eigentümerinnen und Eigentümer kommen teils hohe Kosten zu. «Das sind Investitionen, die über einen längeren Zeitraum aufgrund des normalen Sanierungszyklus zum großen Teil ohnehin anfallen würden. Das ist immer noch eine enorme Summe – aber weit weg von ursprünglich befürchteten 140 Milliarden Euro», sagte Sütterlin-Waack.
Kritik der Opposition
Der SPD-Wohnungsbaupolitiker Thomas Hölck betonte: «Schwarz-Grün hat weder einen Plan noch die Mittel, um ihr eigenes Versprechen der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.» Die Zeche zahlen am Ende Besitzende und Mietende gleichermaßen. «Dass die Menschen im Land Angst vor dieser Entwicklung haben, liegt auf der Hand. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist jetzt schon eklatant.» Die Energieversorgung müsse klimaneutral werden. «Wärmenetze im ganzen Land sind das Mittel der Wahl.»
Sein FDP-Kollege Bernd Buchholz findet zwar richtig, «dass sich die Landesregierung von ihrem Ziel der umfassenden Vollsanierung für alle Gebäude verabschiedet hat». Allerdings gehe auch die Ministerin von steigenden Mieten aus. «Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung derzeit an sehr vielen Stellschrauben dreht, die die Quadratmeterpreise von Immobilien deutlich erhöhen werden, ist das nicht hinnehmbar.»
SSW-Fraktionschef Lars Harms forderte die Koalition auf, die Bezahlbarkeit im Blick zu halten. «Deshalb erwarten wir vom Land dringend Förderprogramme anstatt neuer Regelungen, die die teuren Maßnahmen erzwingen sollen.»