Spiesheim (dpa/lrs) – Die Landwirte im südlichen Rheinland-Pfalz kämpfen mit dem Klimawandel mit teils zu viel Nässe und im Wechsel langen Trockenperioden. Noch mehr zu schaffen machen den Bauern aber der internationale Wettbewerbsdruck und die gesunkenen Erzeugerpreise nach Ausbruch des Ukrainekriegs. «Wir erleben im Moment eine ganz schlechte Stimmung aufgrund der Krisen», berichtet der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, in Spiesheim.
Wie fällt die Erntebilanz aus?
Die Landwirte verzeichnen trotz des extremen Schaukelwetters eine durchschnittliche bis gute Getreideernte. Die Erträge sind besser als erwartet ausgefallen und liegen nach Angaben des Verbands über den Werten des Vorjahres. «Auch die Qualitäten passen insgesamt», ordnet der Verbandspräsident ein.
Warum ist die Bilanz der Bauern dann trotzdem schlecht?
Die Erzeugerpreise sind nach Angaben von Hartelt auf einem so niedrigen Niveau, dass die erwartete Erntemenge in vielen Fällen nicht ausreicht, um die notwendigen Erlöse zu erwirtschaften. Die Betriebe in der Region bekämen Weltmarktpreise, die noch einmal deutlich gesunken seien.
Die rheinland-pfälzischen Landwirte hätten jedoch wesentlich höhere Kosten als die globale Konkurrenz und zusätzliche Produktionsauflagen. Dadurch sei die Wettbewerbsfähigkeit nicht gegeben und die Betriebsergebnisse würden deutlich zurückgehen.
Was sind die Ursachen?
Als Ursache nennt der Verbandspräsident den Überfall Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022. «Es kam zu einem sprunghaften Anstieg der Betriebsmittelkosten, die aber nicht mehr wesentlich zurückgegangen sind», sagt Hartelt und zählt als Beispiele gestiegenen Kosten für Energie, den Pflanzenschutz und die Maschinen auf.
Belastet auch der Klimawandel das Geschäft der Landwirte?
Die Landwirtschaft ist immer wetterabhängig. «Da hat es immer gute und schlechte Jahre gegeben», sagt Hartelt. «Aber die Krisen aus anderen Bereichen und die Einschränkungen werden immer mehr.» Damit schwinde auch die Sicherheit der Betriebe immer mehr, in der Landwirtschaft bestehen zu können.
Wie viele landwirtschaftliche Betriebe gibt es im Land?
Rund 15.200 landwirtschaftliche Betriebe wurden im vergangenen Jahr in ganz Rheinland-Pfalz gezählt. Im Jahr 2010 lag die Zahl noch bei 20.500 Betrieben. Vor allem in der Vieh- und Schweinehaltung gingen die Zahlen zurück. Hartelt rechnet mit dem Herbst auch im Weinbau mit Einschnitten.
Was fordert der Bauernverband von der Bundesregierung?
Da an der Erzeugerpreisschraube nur wenig zu drehen sei, müssten die Betriebe massiv entlastet werden. Vor allem die Überregulierung müsse ein Ende haben. Dazu gehörten auch Düngeeinschränkungen in bestimmten Gebieten. Die Absage der Bundesregierung an eine Sonderreglung beim Mindestlohn für Saisonarbeit in der Landwirtschaft kritisierte der Verbandspräsident deutlich.
Wie beurteilen Naturschützer die Entwicklung?
Die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf nahezu alle Vegetationstypen sind bereits sichtbar und werden noch zunehmen, teilt der BUND mit. Landwirtschaftliche Kulturen seien von diesen Entwicklungen ebenfalls betroffen. Zusätzlich förderten die neuen Klimabedingungen die Einwanderung und durch die bereits reduzierte Pflanzenvitalität auch die Anfälligkeit für diverse Pflanzenkrankheiten.
Die meisten heimischen Pflanzen sind auf ein eher gemäßigtes Klima eingestellt. Durch die Häufung der Extremwetterereignisse seien sie Zuständen ausgesetzt, die zu einem Artenschwund beitragen, der bereits jetzt zu beobachten ist, erklärt der Naturschutzbund (Nabu). Ein Wetter mit unterschiedlichen Extremen sei dabei schädlicher für die Pflanzen.
Was sind die Folgen des Klimawandels für die Pflanzen?
Die Experten gehen davon aus, dass es auch unter den Pflanzen Gewinner und Verlierer wegen des Klimawandels gibt. «Während Pflanzen, die stabile und feuchte Umweltbedingungen brauchen, verlieren, gewinnen Pflanzen, die eine hohe Toleranz gegen Trockenheit und Wärme aufweisen», berichtet Nabu-Landwirtschaftsexperte Frederik Weires.
Wenn sich aber die Wetterextreme abwechseln, profitierten nur noch die Pflanzen, die zu den Allroundern der Widerstandsfähigkeit gehören. «Wenn langfristig nur noch jene Pflanzen eine Chance haben, die sowohl lange Trockenheit als auch Hagel und Starkregen aushalten, ist zu erwarten, dass sich der Artenschwund noch weiter beschleunigen wird», sagt Weires.
Wie sollten Bauern auf zunehmende Wetterextreme reagieren?
Eine Diversifizierung der angebauten Arten und Sorten sei ein wichtiger Schlüsselfaktor für eine stabile Landwirtschaft, erklärt der Nabu. Je diverser eine Fruchtfolge aufgestellt ist, desto geringer sei das Risiko eines Komplettausfalls bei der Ernte. Langfristig werde die Wahl von hitze- und trockenheitstoleranten Sorten eine immer wichtigere Rolle spielen. Auch die Diversifizierung innerhalb einer Parzelle durch Untersaaten, Vor- und Zwischenfrüchte könne zu höherer Resilienz der Landwirtschaft beitragen.
Welche landwirtschaftlichen Kulturen sind im Blick?
Es gibt Kulturen wie Hirse, Quinoa oder Linsen, die mit Trockenperioden gut zurechtkommen. Sie seien natürlich noch keine Alternative für Mais oder Weizen, zeigten aber ein großes Potenzial, bei entsprechender Weiterentwicklung einen Beitrag zu einer krisensicheren Produktion beizutragen, sagt der Nabu-Experte. Nachteil sei, dass die Anbauerfahrung und Vermarktungsmöglichkeiten für neue Arten noch nicht so ausgebaut sind.