München (dpa/lby) – Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übt in der Diskussion um ein schärferes Diesel-Fahrverbot in München massive Kritik an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er missachte das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zur Ausweitung der Diesel-Fahrverbote und plane «vorsätzlichen Rechtsbruch», heißt es in einer Mitteilung der Umweltschützer vom Freitag.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte im März nach einer Klage der Umwelthilfe entschieden, dass dort, wo im vergangenen Jahr die Grenzwerte für das giftige Abgas Stickstoffdioxid überschritten wurden, schnelle Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wie diese Maßnahmen aussehen, wird in der Stadtverwaltung diskutiert. Am Mittwoch soll der Stadtrat darüber entscheiden.
Hintergrund der neuen Kritik der Umweltschützer ist, dass Reiter und die SPD/Volt-Stadtratsfraktion prüfen lassen wollen, ob die Luft auf der Landshuter Allee auch dann schon ausreichend besser wird, wenn auf dem betroffenen Abschnitt ein Tempolimit von 30 Kilometern in der Stunde eingeführt wird.
«Ich halte das für einen überlegenswerten Vorschlag, weil die Maßnahme schnell umsetzbar, aufwandsarm, vor allem gut kontrollierbar und auch verhältnismäßig ist», sagte Reiter. Ein entsprechendes Schreiben sei am Mittwoch an das Umweltreferat gegangen.
Derzeit dürfen Dieselfahrzeuge mit Euro 4 und schlechter nicht in die Münchner Innenstadt fahren. Umweltschützer fordern, das Verbot auf Euro 5 auszuweiten. Ein solcher Vorschlag lag bislang auch aus dem zuständigen Referat auf dem Tisch.
Nach Angaben des Umweltreferates vom Freitag wird derzeit aber an einem neuen Vorschlag gearbeitet, der am kommenden Mittwoch in einer sogenannten Tischvorlage in das Stadtratsplenum eingebracht werden soll, nachdem der Umweltausschuss eine Entscheidung in der vergangenen Woche vertagt hatte.
Reiter hatte zunächst vorgeschlagen, nur die betroffenen Streckenabschnitte auch für die neueren Diesel-Autos zu sperren. Dieser wurde aber als teuer, unzureichend und schwer umsetzbar kritisiert.
Die Deutsche Umwelthilfe und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) werfen Reiter und der Münchner SPD «Verschleppungstaktik» vor. «Seit 15 Jahren ist die Luft in München giftiger als erlaubt. Dennoch geht der Widerstand der zuständigen Behörden weiter, wirksame Maßnahmen wie ein gerichtlich angeordnetes umfassendes Dieselfahrverbot auch für Euro-5-Fahrzeuge zu ergreifen», sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. «Mit seiner Weigerung, das höchstrichterliche Urteil anzuerkennen, überlässt Oberbürgermeister Reiter die Münchnerinnen und Münchner dem giftigen Dieseldunst.»
Der Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH und den VCD vertritt, hält den neuen Vorschlag auch juristisch für unzulässig: «Oberbürgermeister Reiter hat die Urteilsbegründung offenbar nicht gelesen oder nicht verstanden. Das Gericht hat klar gemacht, dass es in München nun nur noch um die Prüfung von zwei Varianten geht: die Ausweitung des zonalen Fahrverbots auf die Abgasnorm Euro 5 oder ein streckenbezogenes Fahrverbot auch der Schadstoffklasse Euro 5. An diese Festlegung ist die Landeshauptstadt gebunden», sagte er. «Ein Oberbürgermeister, dem die Rechtsstaatlichkeit wichtig ist, darf sich dem nicht einfach widersetzen. Die Tempo 30-Idee hätte man im Gerichtsverfahren mit entsprechenden Gutachten zu ihrer Wirksamkeit präsentieren müssen. Sie jetzt nachzuschieben, ist unzulässig.»
Seit Februar 2023 dürfen Dieselfahrzeuge mit der Norm Euro 4 und schlechter bis auf einige Ausnahmen etwa für Anwohner und Lieferverkehr nicht mehr auf dem Mittleren Ring der Landeshauptstadt und innerhalb dieses Bereichs fahren. Eigentlich hätte das Dieselfahrverbot ab Oktober 2023 auch auf Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 ausgeweitet werden sollen, ab April 2024 sollten als letzter Schritt noch die allgemeinen Ausnahmen entfallen.
Doch der Stadtrat hatte im September 2023 die zweite Stufe vorerst bis Mai ausgesetzt und die dritte Stufe ganz aufgehoben. Dagegen hatten die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) geklagt – und vor Gericht Recht bekommen.