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Versuch: Meisen gegen Raupen des Eichenprozessionsspinners

Rheinstetten (dpa/lsw) – Im Kampf gegen die Raupen des Eichenprozessionsspinners und ihre giftigen Brennhaare kann man laut einem Fachmann auch auf Meisen als natürliche Feinde setzen. Das spare Kosten im Vergleich etwa zum Absaugen der Gespinste und sei schonender als das vorsorgliche Versprühen giftiger Mittel, wie es vielerorts auch in Baden-Württemberg gemacht wird, erklärte Stefan Eisenbarth der Deutschen Presse-Agentur. «In den nächsten Wochen ist noch Zeit, Nistkästen aufzuhängen.» 

Der Gärtnermeister, frühere Abteilungsleiter bei der Stadt Rheinstetten (Landkreis Karlsruhe) und Mitglied im Naturschutzbund Nabu hat einen Praxisversuch gemacht und Kosten einiger Maßnahmen verglichen. Dabei schneidet die natürliche Bekämpfung nach seinen Zahlen günstiger ab. 

Bevor Eichenprozessionsspinner zu Nachtfaltern werden, bilden die Raupen Brennhaare. Das kann dem Nabu zufolge ab Ende April/Anfang Mai geschehen. Die Haare werden mit dem Wind verteilt. Sie enthalten Nesselgift, das zum Beispiel juckende und entzündliche Hautausschläge auslösen kann. Wer die Haare einatmet, kann Atemnot bekommen. Bei besonders empfindlichen Menschen kann die Reaktion bis zum anaphylaktischen Schock führen. 

Insektizide töten auch andere Tiere

Vor vier Jahren habe er an 120 Eichen 36 Nistkästen für Kohl- und Blaumeisen verteilt, erläuterte Eisenbarth. Diese seien im vergangenen Jahr alle belegt gewesen und es habe keinen Befall durch Eichenprozessionsspinner gegeben. 

«Meisen holen gerne die Raupen des Eichenprozessionsspinners als Nahrung und als Futter für ihre Jungen bis zum dritten Larvenstadium, bevor die Brennhaare ausgebildet werden», erklärte er. Für die jährliche Abschreibung der Anschaffungskosten, Arbeitszeit und Fahrzeugkosten für die Reinigung und Kontrolle der Nistkästen kalkuliert er rund 550 Euro im Jahr.

Im Vergleich dazu verursacht eine prophylaktische Behandlung mit Insektiziden seinen Angaben zufolge jährliche Kosten von 60 bis 200 Euro je Baum. «Es müssen alle Eichen in einem Bestand gespritzt werden. Je nach Höhe der Bäume muss auch ein Hubsteiger dazu verwendet werden, damit alle Pflanzenteile mit dem Spritzmittel benetzt werden können», erklärte Eisenbarth. «Der Nachteil ist, dass auch Raupen von anderen Falterarten abgetötet werden.»

Wenn man von einem Befall von 30 Prozent der Eichen ausgeht, kämen beim Absaugen der Raupen Kosten von rund 12.600 Euro zusammen. Die Ersparnis sei also jeweils immens, machte der Experte deutlich. 

Auch andere natürliche Feinde denkbar

Dennoch greifen viele Kommunen eher zum Gift. Alexander Land von der Abteilung Grünflächen der Stadt Göppingen erklärte dies damit, dass nach dortigem Kenntnisstand noch nicht eindeutig nachgewiesen sei, dass durch entsprechende Vogelarten größere Populationen der Raupen vertilgt würden. 

Auch manche Wespen-, Raupenfliegen- und Käferarten könnten als natürliche Feinde fungieren, erläuterte Land. «Personell bedingt konnten solche Konzeptionen mit Nützlingen und Nistkästen nicht weiter verfolgt werden, wären jedoch eine gute Ergänzung.» 

Aus Karlsruhe hieß es, nur wenige Vogelarten würden die Raupen fressen. Neben dem in Deutschland seltenen Wiedehopf sei vor allem der Kuckuck ein prominenter Gegenspieler auch späterer Raupenstadien. «Beide Vogelarten können den Eichenprozessionsspinner aber nicht wirksam eindämmen.»

Auch dieses Jahr Gifteinsätze geplant

In Göppingen werden den Angaben nach 71 Eichen mit mehrjährigem Befall an Orten wie Kitas und Schulen, wo viele Menschen unterwegs sind, mit einer Gebläsespritze vorbeugend mit einem Biozid behandelt. Dieses werde auch im ökologischen Landbau verwendet. 2024 seien dafür 26 Euro pro Baum bezahlt worden. Dieser Satz ist deutlich niedriger als bei Eisenbarth. Dennoch wären die Kosten in Summe höher als bei den angesetzten Ausgaben für Nistkästen.

Karlsruhe hat im vergangenen Jahr nach Angaben eines Sprechers 2.646 Eichen mit einem Biozid behandelt, das als Häutungshemmer wirke und so die Weiterentwicklung verhindere. Das habe 22.490,40 Euro netto gekostet. Auch für dieses Jahr gebe es entsprechende Pläne. «Eine Prophylaxe macht nur dann Sinn und führt zum Erfolg, wenn sie regelmäßig wiederholt wird.»

Unauffällige Schmetterlinge mit buschigem Kopf

Durch den Klimawandel breitet sich die Nachtfalter-Art mit der Fachbezeichnung Thaumetopoea processionea laut Nabu immer weiter in Deutschland aus. Die Larven sind anfangs braun-gelblich und haben nach mehreren Häutungen einen breiten dunklen Streifen auf dem Rücken. Im letzten Stadium vor der Verpuppung sind die Raupen bis zu fünf Zentimeter lang. Sie kommen meist in großen Ansammlungen, sogenannten Nestern, auf Eichen vor.

Die Falter sind relativ unauffällig braun-grau, mit buschigem Kopf und einigen schwachen Querstreifen auf den Vorderflügeln. Ihre Flügelspannweite beträgt etwa 30 Millimeter. Sie fliegen zwischen Ende Juli und Anfang September.

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