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Viele heimische Säugetiere sind gefährdet oder ausgestorben

Hannover (dpa/lni) – Mindestens ein Drittel der heimischen Säugetiere in Niedersachsen und Bremen ist gefährdet oder bereits ausgestorben. Laut der aktualisierten Roten Liste sind andere früher als ausgestorben geltende Arten hingegen zurückgekehrt, wie der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mitteilte.

Die letzte Rote Liste war schon 30 Jahre alt

Die vorgelegten Roten Listen seien die erste Gesamtbewertung seit rund 30 Jahren. Dabei gebe es sowohl positive Entwicklungen als auch deutliche Warnsignale beim Artenschutz, sagte Umwelt- und Artenschutzminister Christian Meyer (Grüne).

74 heimische Säugetierarten wurden untersucht. Laut der Bewertung eines Expertenteams gelten 35 Prozent der Arten in Niedersachsen und Bremen als gefährdet, weitere 10 Prozent stehen auf der Vorwarnliste. Auch vermeintlich häufige Arten wie der Igel tauchen dort inzwischen auf. Neben dem Straßenverkehr falle er nun öfter Rasenmährobotern zum Opfer.

Intensive Landwirtschaft, Pestizide und Klimawandel bedrohen Tiere

Besonders kritisch ist die Situation laut NLWKN bei Fledermäusen und Kleinsäugern. Feldhamster, Gartenschläfer und das Graue Langohr seien vom Aussterben bedroht. Gründe seien unter anderem intensive Landwirtschaft und der großflächige Einsatz von Pestiziden. Aber auch Klimawandel und Urbanisierung setzten vielen Arten zu. Steigende Meeresspiegel etwa gefährden demnach die Aufzuchtplätze von Kegelrobben und Seehunden, Dürreperioden lassen Feuchtgebiete austrocknen.

Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen, mahnte: «Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass das Artensterben in Niedersachsen nahezu ungebremst voranschreitet.» Auch der BUND in Bremen zeigte sich «alarmiert» über die neuen Roten Listen. Der Senat müsse den Artenschutz in den Mittelpunkt seines Handels stellen, «für die Umwelt und vor allem für uns Menschen!»

Luchs, Wolf und Biber sind Erfolgsgeschichten

Anne Kura, Sprecherin für Naturschutz der Fraktion der Grünen im Landtag, sagte: «Die neuen Roten Listen belegen leider, dass wir uns auch in Niedersachsen beim Schutz heimischer Arten in einem Wettlauf gegen die Zeit befinden.» Artenschutz dürfe kein Versprechen auf dem Papier bleiben.

Gleichzeitig zeigen die neuen Daten auch Erfolge: Der Wolf wird nicht mehr als ausgestorben, sondern inzwischen als ungefährdet geführt. Auch der Luchs, die Kegelrobbe, der Fischotter und der Biber haben sich in Niedersachsen wieder angesiedelt – dank gezielter Schutzmaßnahmen.

Artenschutzminister sieht «dringenden Handlungsbedarf»

Auch für die 53 in Niedersachsen und Bremen vorkommenden Heuschreckenarten wurde eine neue Gefährdungseinschätzung vorgelegt. 14 Arten gelten als bestandsgefährdet, darunter die vom Aussterben bedrohte Heideschrecke. Der Klimawandel setzt laut Expertinnen und Experten besonders feuchtigkeitsliebenden Arten zu. Wärmeliebende Arten breiten sich dagegen zunehmend aus.

Sophie Kirberg vom NLWKN sagte: «Ohne gezielte Schutzmaßnahmen und verlässliche Daten drohen wir, das Artensterben nur zu dokumentieren – anstatt es zu verhindern.» Minister Meyer sah einen «dringenden Handlungsbedarf für den Schutz von Säugetieren und Insekten». Und vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Niedersachsen hieß es: «Die Rote Liste darf nicht zum Klageregister unseres Versagens werden – sie muss die Grundlage sein, um wirksam gegenzusteuern.» Schutzmaßnahmen in der Fläche seien «alternativlos».

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