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Ober-Olm (dpa/lrs) – Mit der Landesinitiative «Rheinland-Pfalz – Land in Bewegung» sollen Menschen für körperliche Aktivität und Sport begeistert werden. Darum geht es auch der früheren Stabhochspringerin Carolin Hingst, die in Rheinhessen lebt und Personal Trainings anbietet, darunter Lauf- und Fitnesstrainings im Ober-Olmer Wald bei Mainz. «Ich helfe damit allen, die wieder etwas für sich und ihren Körper tun wollen», heißt es auf ihrer Homepage. 

In der Sache sind sich also beide Seiten einig – das Land und die frühere Olympia-Teilnehmerin – und doch sind sie aneinandergeraten. 

Hingst bietet die Kurse schon seit mehr als zehn Jahren an, lange habe die Zusammenarbeit mit dem Forstamt Rheinhessen reibungslos funktioniert. Es habe einen Gestattungsvertrag gegeben, der ihr kostenlos erlaubt habe, mit Gruppen im Ober-Olmer Wald unterwegs zu sein. Damit ist es nun vorbei.

«Steigende Aufwände für das Forstamt»

Im Mai 2024 bekam die 44-jährige gebürtige Bayerin, wie sie sagt, per Email und ohne vorherigen Hinweis aus dem Forstamt eine Kündigung des unbefristeten Gestattungsvertrages. Schriftlich sei ihr mitgeteilt worden, dass die Verträge vereinheitlicht werden sollten. 

Der Landesbetrieb Landesforsten Rheinland-Pfalz spricht von einem Telefonat im Mai 2024. Hingst sei gesagt worden, dass die Gebühren für die gewerblich und gewinnorientierte Nutzung des Waldes «aufgrund steigender Aufwände für das Forstamt angepasst werden müssen».

Zunächst seien als Entgelt zehn Prozent der Bruttoeinnahmen der Kurse veranschlagt worden, sagt Hingst, die als Stabhochspringern einst bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking dabei war. Das sei für sie eine «utopisch hohe Gebühr». Sie verstehe nicht, warum sie künftig zahlen soll. «Mein Training ist wie ein Spaziergang oder eine Wanderung im Wald zu sehen – und die sind kostenlos.» 

Landesforsten erklärt, die Forderungen hielten sich in Grenzen. Der Großteil der Veranstalter mache mit Angeboten im Ober-Olmer Wald nur geringe Einnahmen, entsprechend würden sie mit einem prozentualen Entgelt gering belastet. 

Es dreht sich um einen Paragrafen des Landeswaldgesetzes

Abseits von dem konkreten Fall geht es um die Frage, für welche Nutzung des Waldes gezahlt werden muss. Landesforsten verweist auf das Landeswaldgesetz. Dort heißt es in Paragraf 22 unter anderem, die Durchführung organisierter Veranstaltungen im Wald ist nur mit Zustimmung der Waldbesitzenden zulässig. Im Fall eines Staatswaldes wie hier, ist es das Land, genauer die Forstverwaltung. 

Die Höhe eines Entgelts müsse angemessen sein, erklärt Landesforsten. Die Höhe des Gestattungsentgelts liege im Ermessen des Forstamtes, ergänzt das Umweltministerium in Mainz – auch im Fall Hingst.

Bei der Frage der Angemessenheit gehen die Meinungen auseinander. Hingst berichtet von Wandergruppen auf dem Kleinen Mainzer Höhenweg, der durch den Ober-Olmer Wald führt. Die dürften ohne Entgelt unterwegs sein. Und was passiere, wenn ein Psychotherapeut mit einem Patienten im Wald spaziere? Hingst vermisst Transparenz bei den Gestattungsverträgen, ihr fehlt es an einer Gebührenverordnung. 

Entgelt – nicht Gebühr

Dem hält das Ministerium entgegen, dass es sich um ein Entgelt handele und eben nicht um eine auf öffentlich-rechtlicher Grundlage festgesetzte Gebühr. Das Entgelt obliege der Privatautonomie des Eigentümers des Waldes, es könne gar keine staatliche Gebührenverordnung geben. Eine irgendwie einheitliche Regelung sei nicht machbar, es gebe eine Vielzahl an Fallkonstellationen. 

Kostenfrei seien beim Forstamt Rheinhessen Veranstaltungen, die der Umweltbildung oder Bildung für nachhaltige Entwicklung dienten und damit einen wertschätzenden Umgang mit dem Wald vermittelten. 

Und so geht es im Fall Hingst seit sage und schreibe neun Monaten hin und her. Das Forstamt bat sie, ihre Bruttoeinnahmen aus Veranstaltungen im Ober-Olmer Wald vergangener Jahre offenzulegen. Das wollte Hingst nicht. Sie findet, dass solche Daten das Amt nichts angehen, es habe keine Befugnis. 

Hingst: «Situation ist gerade sehr schwierig»

Das Forstamt bot später laut Landesforsten eine pauschale Jahresgebühr an, wieder kamen beide Seiten nicht zueinander – der Zwist schwelte weiter. Nach Angaben des Umweltministeriums beläuft sich das nun geforderte Gestattungsentgelt in dem Fall auf knapp 42 Euro im Monat. 

«Ich kämpfe für mich, die Bürger und für andere Freiberufler und Kleinunternehmer», sagt Hingst. «Die Situation ist gerade sehr schwierig. Ich lebe seit Wochen und Monaten mit viel Angst in der Ungewissheit.» Ihre Existenz als Selbstständige habe sie sich über zehn Jahre während und neben ihrer Karriere als Profisportlerin aufgebaut. Die Verhandlungen kosteten sie viel Zeit und Kraft. 

Landesforsten berichtet von einer steigenden Zahl an Anfragen gewerblicher Nutzer in dem mit 360 Hektar eher kleinen Ober-Olmer Wald. Die müssten koordiniert, Wege, Schilder, Bänke, Dehn-Stationen und Parkplätze müssten gepflegt, Müll müsse beseitigt werden. Hinzu kämen mehr Schäden wegen des Klimawandels, das mache die Sicherung von Wegen und Bänken aufwendiger. 

Hingst hält dagegen. Ihre Gruppen machten keinen Lärm, verschmutzten nichts. Anders als etwa bei Volksläufen müsse nichts abgesperrt werden. Wenn sie samstag- oder sonntagmorgens mit ihren Gruppen unterwegs sei, sei der Wald auch nicht voll, häufig seien sie fast alleine dort. Darüber hinaus zahle sie indirekt über Steuergeld wie andere Menschen auch für den Wald.