Berlin (dpa/tmn) – Der hydraulische Abgleich wird für einige Mehrfamilienhäuser Pflicht. Am 1. Oktober tritt eine Verordnung der Bundesregierung in Kraft, wonach bei Wohngebäude ab sechs Wohneinheiten ein hydraulischer Abgleich bei Gasheizungen Pflicht wird, wenn dieser bislang noch nicht gemacht wurde.
In Häuser ab zehn Wohneinheiten muss der Abgleich bis 30. September 2023 erfolgen, ab sechs Einheiten bis 15. September 2024.
Aber was ist mit allen anderen Gebäuden? Ist der hydraulische Abgleich denn grundsätzlich sinnvoll, um angesichts der steigenden Preise so viel Heizungsenergie wie möglich zu sparen. Ein Faktencheck:
Was ist ein hydraulischer Abgleich?
Bei diesem Abgleich ermittelt ein Fachbetrieb, wie viel Wärmeleistung es eigentlich braucht, um die einzelnen Wohnräume eines Hauses zu beheizen. Darauf basierend werden die nötige Wassermenge der Heizung und die optimale Vorlauftemperatur eingestellt.
Außerdem werden die Pumpenleistung und die nötigen Widerstände im Heizkreislauf errechnet. Dadurch wird zum Beispiel sichergestellt, dass von der Umwälzpumpe zu den Heizkörpern und zurück immer genau die benötigte Wassermenge fließt. Denn fließt zu viel oder zu wenig Wasser, werden nicht alle Räume im Haus gleichmäßig warm. Die Folge: Kältere Heizkörper werden stärker aufgedreht. Das verursacht unnötige Kosten.
Die Maßnahme wird von Heizungsfachbetrieben durchgeführt und dauert je nach Größe der Anlage mehrere Stunden, vielleicht auch mit einer Unterbrechung für die Berechnung über zwei Tage.
Lässt sich der hydraulische Abgleich an jeder Heizung machen?
An fast allen wasserführenden Heizungssystemen – egal ob mit Heizkörper, Wand- oder Fußbodenheizung, so Stefan Materne von der Energieberatung im Verbraucherzentrale Bundesverband. Ausgenommen sind ältere Systeme mit Heizkörpern ohne voreinstellbare Heizkörperventile. Diese müssten erst für 100 bis 150 Euro je Stück ausgetauscht werden.
Stefan Materne empfiehlt den Abgleich an jeder Heizungsanlage, die neu installiert wird. Das ist sogar Voraussetzung für Förderkredite.
Aber auch an Bestandsanlagen ist der hydraulische Abgleich sinnvoll, hier kann er hohe Energieeinsparungen zur Folge haben – vor allem, wenn man sich einen teureren Heizungstausch aktuell nicht leisten kann. «Und es gibt eine frohe Botschaft: Wenn Sie ein paar Jahre nach dem hydraulischen Abgleich dann doch den Heizkessel tauschen, bleibt das Ergebnis erhalten», ergänzt Materne. Denn beim Abgleich wird das gesamte System, das auf den Kessel folgt, dauerhaft feinjustiert.
Anzeichen, dass die Heizung ineffizient arbeitet und einen hydraulischen Abgleich vertragen könnte, sind zum Beispiel:
- die Räume werden nicht warm
- manche Heizkörper bleiben bei gleicher Thermostateinstellung kühler als andere oder erwärmen sich später
- gluckernde Geräusche
Was kostet der hydraulische Abgleich?
«In etwa 600 bis 1200 Euro je nach Größe des Objektes beziehungsweise der Heizungsanlage» müsse man für diese Maßnahme ausgeben, so Energieberater Stefan Materne.
Es gibt zwar staatliche Förderung über das Programm «Heizungsoptimierung» beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa): Für die Kosten von solchen Maßnahmen zur besseren Effizienz von Heizungen bekommt man nach Antrag 15 Prozent zurück, wenn mindestens 300 Euro Kosten anfallen.
Allerdings: Die Förderung bekommen nur Häuser mit bis zu fünf Wohneinheiten – also nicht auch jene, die in Pflicht sind, den Abgleich umzusetzen (seit 21.09.22). Außerdem kann es sein, dass zuvor eine ältere Pumpe gegen eine Hocheffizienzpumpe ausgetauscht werden muss, so Frank Hettler vom Informationsprogramm Zukunft Altbau des Umweltministeriums Baden-Württemberg.
Wie viel kann man sparen?
Der Energieverbrauch bei der Erwärmung von Heizkörpern soll sich durch einen hydraulischen Abgleich um bis zu 15 Prozent senken lassen, heißt es auf dem Portal «Intelligent heizen» des VdZ – Wirtschaftsvereinigung Gebäude und Energie und von der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online. Die Energieberatung des Verbraucherzentrale Bundesverband geht von einer Einsparung von bis zu fünf Prozent aus.
Die Angaben schwanken also stark – das hat Gründe. «Die Ersparnis hängt vom vorhandenen Energieträger und vom Zustand des Systems ab», so Stefan Materne. Das ist in etwa die Größenordnung für ein Einfamilienhaus. Bei größeren Objekten steigen die Kosten entsprechend.
Konkreter wird es mit einem Rechenbeispiel: Die Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel hat für die Optimus-Studie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt nachgewiesen: Im Mittel aller Gebäude wird ein Einsparpotenzial von sieben Kilowattstunden je Quadratmeter Fläche pro Jahr erreicht.
Übertragen auf ein Beispielhaus mit 130 Quadratmetern, ist bei Kosten von 16 Cent für die Kilowattstunde Gas eine Ersparnis von 910 Kilowattstunden und damit rund 145 Euro pro Jahr möglich. Bei den aktuell teils noch viel höheren Gaspreisen kann dieser Betrag natürlich noch höher ausfallen. Eine weitere Ersparnis kommt laut Materne nach dem Abgleich dazu: Durch die gute Einstellung der Pumpenleistung sinkt deren Stromverbrauch.
Lohnt sich das?
Finanziell betrachtet – auf den ersten Blick nicht. Die Investitionskosten sind in den meistem Fällen höher, als man in einem Winter an Ersparnissen herausholen könnte.
Aber die Heizkosten waren auch schon vor der Versorgungskrise hoch und sie werden es für Gas- und Öl-Heizsysteme sehr wahrscheinlich auch bleiben. Insofern ist so ein hydraulischer Abgleich also eine Investition in die Zukunft. Denn die Kosten für den Abgleich werden sich je nach Heizungssystem in wenigen Jahren amortisieren.
Zur groben Berechnung, wann das in einem Haushalt beziehungsweise für das jeweilige Heizungssystem der Fall sein wird, eignet sich der WärmeCheck von co2online.
Stefan Materne gibt außerdem zu bedenken, dass seine Berechnungen konservativ sind. Der hydraulische Abgleich kann höhere Entlastungen ergeben. Außerdem benötige die Pumpe als Folge der Einstellungen weniger Strom. Man reduziert also womöglich eine Geräuschbelastung im Wohnraum und man steigert den Komfort durch eine schnellere und effizientere Wärmeverteilung. Sein Urteil lautet daher trotz der hohen Investitionskosten: «Das lohnt sich unbedingt.»
Aber es gibt aktuell noch mehr zu bedenken: Wer sich diese Investition leisten kann, leistet damit einen Beitrag zu einem gesamtgesellschaftlichen Ziel. Und der hydraulische Abgleich verringert den CO2-Ausstoß einer Heizungsanlage. Man leistet also auch einen Beitrag zum Klimaschutz.