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Wissenschaftler: Neue Erdgasförderung ist verkehrter Weg

Borkum (dpa/lni) – Die umstrittene Erdgasförderung nahe dem Wattenmeer vor der Nordseeinsel Borkum könnten nach Einschätzung eines Wissenschaftlers in den kommenden Jahren das Feld für weitere Gasbohrungen bereiten. Es bestehe die Gefahr eines sogenannten «fossilen Lock-in», sagte Pao-Yu Oei, Wirtschaftsprofessor an der Europa-Universität in Flensburg, in einem Pressegespräch. Das bedeute, wenn durch einen Einstieg in die Gasförderung erst einmal Know-how und Ressourcen vorhanden seien, könne es aus wirtschaftlicher Sicht günstig sein, weitere Gasfelder zu erschließen. 

«Weil jede weitere Bohrung ist dann ein bisschen günstiger als die davor.» Hohe Investitionskosten könnten so durch weitere Gasförderungen in benachbarten Feldern verteilt werden, sagte der Experte für Energiewende-Themen. Dabei verfolge Deutschland gleichzeitig das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. 

Der niederländische Energiekonzern One-Dyas, der die Erdgasförderung vor Borkum vorantreibt, hat bereits weitere Gasfelder in der Nordsee, über das vor Borkum hinaus, im Blick. 

Experte: Gasverbrauch wird sinken

Pao-Yu Oei hält die Erschließung neuer Gasvorkommen für den verkehrten Weg. «Perspektivisch sind wir uns sicher, dass die Gasnachfrage in Deutschland zurückgehen wird», sagte der Professor. Verschiedene Berechnungen von Netzbetreibern und Beratungsunternehmen sagten voraus, dass der Gasverbrauch von rund 800 Terawattstunden 2024 auf eine Größenordnung von 500 bis 600 Terawattstunden bis 2030 zurückgehen werde. 

Die Bundesregierung will für die umstrittene Gasförderung vor Borkum nach Angaben aus Niedersachsen ein Abkommen mit den Niederlanden schließen. Weitere Bohrungen könnten auch mit Hilfe dieses Abkommens möglich werden. Wann dieses völkerrechtliche Abkommen im Bundeskabinett verabschiedet wird, ist offen. Kritik daran, das Abkommen nun zu schließen, gab es zuletzt auch, da noch mehrere Gerichtsverfahren um die Erdgasförderung laufen. 

Kritik von Fridays for Future 

Carla Reemtsma, Sprecherin von Fridays for Future Deutschland, kritisierte, die neue schwarz-rote Bundesregierung treibe eine «Expansionspolitik im Bereich Gas» voran. Neben der Gasförderung vor Borkum zähle dazu auch der Plan, neue Gaskraftwerke zu bauen und mehr Fracking-Gas importieren zu wollen. «Wenn Deutschland seiner Verantwortung gerecht werden will, wenn wir Klimaziele einhalten wollen, dann braucht es einen klaren Plan für den Ausstieg aus der Gasenergie, statt immer mehr Einstieg in neues, dreckiges, fossiles Gas», sagte Reemtsma.

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