Mainz (dpa/lrs) – Ob das Flugzeug am Himmel, ein Industriebetrieb in der Nachbarschaft, eine vielbefahrene Straße vor der Tür oder eine nahe Schienenstrecke – ganz unterschiedlicher Lärm kann Menschen belasten. Entsprechend komplex ist das Thema Lärmschutz. In Rheinland-Pfalz soll ein neues Instrument künftig geballte Informationen bereithalten, mit dem Ziel, Kommunen zu unterstützen und Bürgerinnen und Bürger zu informieren.
Entstehen soll ein Lärmatlas für Rheinland-Pfalz als Übersicht über Lärmquellen und Lärmbelastung im ganzen Land. Eine vorgeschaltete Befragung unter Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern ist nach Angaben von Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) inzwischen weitgehend abgeschlossen.
Institut durch frühere Studie in Rhein-Main bekannt
Für diese Befragung hatte das Ministerium das Hagener Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung (Zeus) beauftragt. Das war einst für die 2015 vorgestellte und im Rhein-Main-Gebiet vieldiskutierte Norah-Studie zuständig. Bei der ging es um Auswirkungen des Lärms von Flug-, Schienen- und Straßenverkehr auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung in einer Flughafenregion.
Die Untersuchung fand hauptsächlich am und um den Frankfurter Flughafen statt, widmete sich dem Ausmaß an Lärmbelästigung und Schlafstörungen sowie einer ganzen Reihe von Gesundheitsrisiken durch Lärm. Aufgezeigt wurde etwa, dass Flugzeuglärm, Autos und Eisenbahnen das Risiko für Depressionen und Herzschwäche erhöhen und insbesondere Fluglärm die Leseleistung von Grundschulkindern verzögern kann. Ein weiterer Schluss war Zeus zufolge, dass der Einfluss von Verkehrslärm etwa auf den Blutdruck einem komplizierten Mechanismus folgt und Ergebnisse hierzu nicht leicht zu interpretieren sind.
Mehr als 2.000 Antworten bei Befragung
Für die jüngste Befragung für den Lärmatlas wurden per Zufall Meldedaten aus allen 36 Landkreisen und kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz ausgewählt. Im Mai wurden rund 10.000 Personen aus dem Land angeschrieben, wie Projektleiterin Julia Kuhlmann von Zeus erklärt.
Möglich sei eine Online-Teilnahme an der Befragung gewesen oder die Beantwortung eines Fragebogens in Papierform. Etwas später folgte ein Erinnerungsschreiben an Personen, die bislang noch keine Rückmeldung gegeben hatten. Aktuell laufe die Datenbereinigung, klar sei aber schon, dass die verlangten rund 2.000 Antworten zusammengekommen seien.
Gefragt wurde Kuhlmann zufolge nach Lärm aus verschiedenen Quellen, etwa Straßen-, Flug- und Schienenverkehrslärm oder Lärm durch Industrie, Gewerbe oder Truppenübungsplätze. Auch nach Nachbarschaftslärm sei sich erkundigt worden und danach, wie sehr sich die Menschen in den vergangenen zwölf Monaten durch die verschiedenen Lärmquellen in ihrem Schlaf gestört fühlten.
Auswertung der Daten bis Jahresende
Darüber hinaus wurde erfasst, wie lange die Befragten schon an ihrem Wohnort leben, es wurde nach dem Eigentumsstatus gefragt, ob sie also in einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung leben oder Mieterinnen oder Mieter sind, welche Kenntnisse die Menschen von der bisherigen Lärmkartierung oder Lärmaktionsplänen vor Ort haben und wie zufrieden sie damit sind.
Die Auswertung der Befragungsdaten werde voraussichtlich bis Ende dieses Jahres dauern, erklärt Kuhlmann. In einem weiteren Folgeprojekt im Auftrag des Ministeriums soll die jeweilige Lärmbelastung vor Ort berechnet werden. All die Erkenntnisse fließen schließlich in den Lärmatlas ein. Ziel des Ganzen ist, eine Art Gesamtlärm-Analyse zu bekommen, in der sich auch Mehrfachbelastungen – also geballter Lärm und verschiedene Quellen – widerspiegeln.
«Wir machen da etwas Einmaliges in Deutschland», sagt Ministerin Eder. Eine solche Analyse sei von Lärmbetroffenen immer gefordert worden, nun werde sie erstellt. «Damit soll Transparenz hergestellt werden. Das ist auch ein besonderer Service für Menschen, die irgendwo hinziehen.» Auch soll der Atlas künftig helfen, gesundheitliche Folgen von Lärmbelastung besser abschätzen zu können. Und er soll dazu beitragen, die Kosten für Lärmschutzmaßnahmen den Kosten durch lärmbedingte Krankheiten gegenüberstellen zu können.
Gemeinde- und Städtebund verweist auf Kosten
Das Allheilmittel sieht der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz darin nicht. «Es muss klar sein: Der Atlas allein löst keine Probleme – er ist ein Werkzeug», sagt Geschäftsführer Moritz Petry. Ob Lärmschutzwände, verkehrsberuhigte Zonen oder eine vorbeugende Stadtplanung, all das sei mit erheblichen Kosten verbunden, die viele Kommunen nicht allein tragen könnten.
Klar ist im Hinblick aufs Geld: Für den Atlas, eine amtliche Lärmkartierung inklusive der Befragung und eine bereits ebenfalls durch Zeus erfolgte Machbarkeitsstudie, gibt das Land Rheinland-Pfalz nach Angaben des Ministeriums über fünf Jahre hinweg insgesamt bis zu 600.000 Euro.
«Damit daraus konkrete Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger entstehen, braucht es auch eine verlässliche Finanzierung der notwendigen Maßnahmen vor Ort», betont Petry. Manchmal sei auch passiver Lärmschutz, zum Beispiel mit Schallschutzfenstern, effektiver als kommunale Maßnahmen.