Berlin (dpa) – Kranichschwärme, Störche auf überfluteten Wiesen und erste Blüten: Viele Menschen haben aktuell den Eindruck, die Natur lege in diesem Jahr ungewöhnlich früh los. Doch das trügt Fachleuten zufolge, zumindest zum Teil. «2024 ist mit Blick auf Wildtiere bislang kein extremes Jahr», sagte Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung sowie Wildtierbiologe an der Universität für Bodenkultur Wien, der Deutschen Presse-Agentur.
Dass es den Menschen trotzdem so vorkomme, liege an einer erhöhten Sensibilität aufgrund der Klimakrise: «Fast jedes Jahr, wenn der Januar besonders streng oder die Temperaturen im Februar oder März höher als sonst sind, sind die Menschen aufmerksamer», sagte Hackländer «Doch der Eindruck, dass beispielsweise Zugvögel in diesem Jahr früher dran sind, trügt.»
Alles normal bei den Weißstörchen
Das sieht Julian Heiermann, Teamleiter Naturschutz- und Umweltinformationen beim Naturschutzbund (Nabu), ähnlich: «Derzeit beobachten wir einen starken Zug der Kraniche, was aber jahreszeitlich nicht ungewöhnlich ist», erklärte er. Auch bei den Weißstörchen, bei denen vielerorts die Rückkehr aus den Winterquartieren gemeldet wird, seien keine Anomalien bekannt.
Anders sei die Situation bei den wechselwarmen Amphibien, die ihre Aktivität nach der Umgebungstemperatur ausrichten, so Heiermann. «Aufgrund der anhaltenden milden Temperaturen sind vielerorts die Amphibien unterwegs zu ihren Laichgewässern oder bereits angekommen.» Gerade erst berichtete ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) davon, dass aufgrund des milden Februarwetters mancherorts schon die Forsythien zu blühen begonnen haben.
Die Sträucher blühten mittlerweile im Mittel schon Mitte/Ende März, vor 75 Jahren habe man darauf im Schnitt noch bis Mitte April warten müssen, sagte Hackländer von der Wildtier Stiftung. Die Anpassung der Natur an die Klimaerwärmung sei schleichend, das Frühlingserwachen verschiebe sich etwa zwei Tage pro Dekade nach vorn, so Hackländer. Rehe zum Beispiel bekommen demnach mittlerweile ihren Nachwuchs im Frühjahr deutlich früher.
Innere Uhr passt sich an
Zugvögel haben wie andere Wildtiere auch eine Art innere Uhr, die ihnen sagt, wann sie aus wärmeren Gefilden zurückkehren sollten. In Zeiten globaler Erwärmung mit zeitigerem Frühlingsbeginn dürften sich dabei jene Artgenossen durchsetzen, deren innere Uhr – flapsig gesprochen – vorgeht: Sie sind früher in den Sommerquartieren, besetzen die besten Reviere und haben dadurch einen Vorteil bei der Fortpflanzung, wie Hackländer erklärt. Langfristig kann sich dadurch die innere Uhr ganzer Populationen umstellen.
Bei einigen Vogelarten steige auch der Anteil jener Tiere, die auf den Zug verzichten und ganzjährig bei uns bleiben, so Hackländer. Früher starben diese Individuen demnach, wenn der Winter zu kalt war oder keine Nahrung zur Verfügung stand.